Die relaxte Antithese zum hektischen Messebetrieb: In einer Hamburger Jugendstil-Villa eröffnete jetzt die Berliner Galerie Wentrup eine Dependance der etwas anderen Art. Wentrup am Feenteich ist als Ort der vertieften Kommunikation und des interdisziplinären Dialogs gedacht
Der Hamburger Feenteich, eine Ausbuchtung der Außenalster, gehört zu den nobelsten Adressen der Hansestadt. Hier befindet sich nicht nur das Gästehaus des Hamburger Senats, in dem schon die Queen, Henry Kissinger und der Dalai Lama übernachtet haben. Auch zahlreiche private Villen mit ihren großen Gärten und das russische Generalkonsulat säumen das Ufer der große Ruhe ausstrahlenden Wasserfläche. Als sich dem Berliner Galeristenpaar Tina und Jan Wentrup jetzt die Gelegenheit bot, eine dieser Villen für zunächst zwei Jahre anzumieten, griffen sie zu. Die Chance, die Künstler ihrer Galerie in diesem einzigartigen Ambiente präsentieren zu können, wollten sie sich nicht entgehen lassen, zumal sich die Möglichkeit ergab, die Räume der 1905 im Jugendstil errichteten Villa nach eigenen Vorstellungen renovieren zu lassen. Aufgrund von Bombenschäden aus dem Zweiten Weltkrieg strahlt der wiederaufgebaute Prachtbau im Inneren eine gewisse Neutralität aus: weder Stuck noch Parkettböden.
Für Jan Wentrup, der bei der Renovierung kräftig selbst mit angepackt hat, bot sich die Gelegenheit, Präsentationsflächen für Kunst endlich einmal so zu gestalten, wie er es sich immer schon vorgenommen hatte: mit mehrfach poliertem und gewachstem Betonboden und hochprofessionellen Beleuchtungssystemen der in Architektenkreisen beliebten italienischen Marke iGuzzini, die jedem Raum seine ganz eigene Lichtdramaturgie verleihen.
Wer jetzt denkt, Wentrup am Feenteich sei einfach nur eine Dependance der Berliner Galerie, der irrt sich. Wentrup am Feenteich soll weit mehr sein, nämlich ein Ort, an dem Kunst auf eine viel entspanntere Art präsentiert werden kann, als das im alltäglichen Galeriebetrieb oder gar in der Hektik von internationalen Kunstmessen möglich ist. Kunst begreifen die Wentrups primär als Anreger für Kommunikation. Tina Wentrup: „Uns macht einfach der Austausch Spaß. Für uns ist Kunst viel mehr als nur Verkaufen. Dafür wollten wir ein Format finden.“
Geöffnet ist Wentrup am Feenteich nur nach Vereinbarung. Mitarbeiter vor Ort gibt es nicht. Tina und Jan Wentrup planen, zehn bis 14 Tage pro Monat persönlich in Hamburg zu sein. Ihr Angebot, sich in der Villa zu treffen und sich in aller Ruhe über Kunst auszutauschen, richtet sich dabei keineswegs nur an eine hochvermögende internationale Sammlerklientel. Willkommen ist jeder, der daran interessiert ist, die in Zukunft alle drei Monate wechselnden Präsentationen anzuschauen und mit den Galeristen ins Gespräch zu kommen.
Eine weitere Besonderheit, mit der Wentrup am Feenteich Bewegung in die Hamburger Kunst- und Galerienszene bringen will, werden die alle vier bis sechs Wochen stattfindenden abendlichen Veranstaltungsformate sein, die anregende Dialoge zwischen zeitgenössischer Kunst und anderen Disziplinen herstellen sollen. Gedacht ist dabei an Vertreter:innen aus den Bereichen Design, Architektur, Wissenschaft, Philosophie, Theater, Musik, Tanz und Mode. Den Anfang macht die Berliner Künstlerin Nevin Aladag mit einer performativen Vorführung ihrer Body Instruments. Im Oktober wird sich dann Sophie von Hellermann mit einer Philosophin austauschen. Im November ist der Berliner Fashion Designer William Fan zu Gast. Und im Dezember wird es eine Record Release Party mit Gregor Hildebrandt geben. Spätestens diese dürfte auch für Berliner eine gute Gelegenheit sein, der Hamburger Villa einen Besuch abzustatten. „Wir finden die Achse Berlin-Hamburg sehr interessant“, sagt Jan Wentrup und bringt die Distanz zwischen den beiden Standorten auf die griffige Formel: „Weit genug weg und nah genug dran“. Schließlich dauert die Fahrt mit dem ICE gerade einmal 90 Minuten. Das Galeristenpaar selbst versucht, sich das Beste aus beiden Städten herauszupicken. „Wir fühlen uns in Hamburg sehr willkommen“, betonen beide. Sie seien seit langem mit wichtigen Akteuren der Hamburger Kunst- und Sammlerszene eng und freundschaftlich verbunden. Hamburg als alte Handelsstadt sei zudem attraktiv und weltoffen.
Wentrup am Feenteich setzt sich bewusst vom klassischen White Cube ab. Bereits für die Charlottenburger Räume der Galerie hatte der Designer Sebastian Herkner die Innenarchitektur entworfen. In den großzügigen Hamburger Räumen konnte er seinen Ideen umso mehr freien Lauf lassen. Gefragt waren unterschiedlichste Sitzgelegenheiten wie Sessel und Sofas, ein großer Tisch zum gemütlichen Zusammensitzen und Konferieren und jede Menge Coffee Tables zum Auslegen der Kataloge. Tina Wentrup wünscht sich, dass jeder Raum wie eine eigene Bühne mit einer eigenen Dramaturgie funktioniert.
Was ist zu sehen? Die Erstpräsentation umfasst 27 Arbeiten von elf Künstler:innen der Galerie. Zum Beispiel hybride Tierpräparate und nur auf den ersten Blick abstrakt wirkende Wand- und Bodenskulpturen von Thomas Grünfeld sowie Gemälde von Jan-Ole Schiemann, die ihren Reiz aus etlichen übereinander gelagerten Farb- und Motivschichten beziehen. Von Nevin Aladag sind zwei Arbeiten im kreisrunden Format mit Teppich-Patchwork aus verschiedenen Kulturkreisen zu sehen. Außerdem eine unendliche Säule von Gregor Hildebrandt aus farbigen Vinyl-Langspielplatten und ein Wandobjekt mit brutalistischen Architekturmotiven von Olaf Metzel. Ein bewusst mit coolem Licht ausgeleuchteter Raum ist den minimalistischen Werken von Gerold Miller gewidmet. Besonders harmonisch wirkt die Präsentation in der lichtdurchfluteten Rotunde. Ein eigens zur Eröffnung von Sophie von Hellermann entworfener, in Nepal unter fairen Bedingungen geknüpfter Teppich aus Wolle und Seide interpretiert das Motiv des Feenteichs auf poetische Art und Weise. Von hier aus fällt auch der Blick in den Skulpturengarten. Auf der Rasenfläche des Wassergrundstücks sind Skulpturen von Olaf Metzel, Gregor Hildebrandt, Nevin Aladag, David Renggli und Gerold Miller versammelt. Die Outdoor-Präsentation soll nach einem Jahr wechseln.
Mit Wentrup am Feenteich ist also in bester Hamburger Lage ein Refugium postpandemischer Entschleunigung entstanden, das nicht nur für kunstinteressierte Hamburger und Berliner, sondern auch für Gäste aus aller Welt ein attraktives Ziel darstellen dürfte.
Wentrup am Feenteich
Am Feenteich 18
22085 Hamburg
Geöffnet nach Vereinbarung
Anmeldung unter www.wentrupgallery.com