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40 Male und kein bisschen müde

28.04.24  Von Nicole Buesing und Heiko Klaas


Die 40. Ausgabe der Art Brussels wartet mit reichlich frischer Ware auf. Doch die Galeristen sorgen sich auch um eine von der belgischen Regierung geplante massive Mehrwertsteuererhöhung auf Kunst

 

40. Art Brussels in den Expo-Hallen am Atominum, Foto: Heiko Klaas

Wer am vergangenen Donnerstag über die Vernissage der 40. Art Brussels ging, konnte es nicht übersehen: Zahlreiche Besucher:innen und Galerist:innen hatten sich ein rotes Herz mit dem Schriftzug „Art“ ans Revers geklebt. Dahinter steckt eine Aktion des belgischen Kunsthändlerverbandes Rocad. Gleich am Eingang hat die Vereinigung einen Infostand aufgebaut, an dem sie Unterschriften gegen die Pläne des belgischen Finanzministers sammelt, die Mehrwertsteuer auf Kunst auf 21% zu erhöhen.

 

Ein Herz für die Kunst: Diese Aufkleber wurden auf der Art Brussels verteilt, Foto: Heiko Klaas

 

„Bisher wurden 21% lediglich auf die Marge zwischen dem Einkaufs- und dem Verkaufspreis erhoben“, erläutert Rocad-Präsident Patrick Mestdagh im Gespräch. „Die aktuellen Pläne der Regierung sehen jedoch vor, die Mehrwertsteuer auf den gesamten Kaufpreis zu erheben.“ Und weiter: „Wenn das Gesetz durchkommt, wäre es eine Katastrophe für den belgischen Kunstmarkt und auch für die belgische Kultur“, sagt Mestdagh. Er gibt sich allerdings optimistisch, dass am Ende der Messe das angestrebte Ziel von 10.000 Unterschriften erreicht sein wird. Durch gezielte Lobbyarbeit konnte vor den im Juni anstehenden Wahlen in Belgien immerhin erreicht werden, dass das Gesetz zunächst einmal auf Eis liegt. „Wir haben einen ersten Sieg errungen, aber die Schlacht ist noch nicht geschlagen“, so Mestdagh.

 

Stand der Brüsseler Galerie Sorry We’re Closed, Foto: Galerie Sorry We’re Closed

Von dieser möglichen Bedrohung abgesehen, war die Stimmung auf der diesjährigen Art Brussels jedoch von der Neugier der Sammler:innen auf Frischware geprägt. 177 Galerien aus 30 Ländern repräsentieren hier rund 800 Künstler:innen. Was sofort auffällt: An vielen Ständen dominiert das Medium Malerei. Anlässlich seines 75. Todestages wird der belgische Maler James Ensor gerade im Brüsseler Bozar mit einer großen Ausstellung geehrt. Grotesk-surreale Bildideen wie bei Ensor werden aber nach wie vor auch von vielen jüngeren Künstler:innen umgesetzt – und von der lokalen Sammlerschaft geschätzt und gekauft. So zum Beispiel die Bilder von Sanam Khatibi am Stand der Brüsseler Galerie Rodolphe Janssen. Die 1979 geborene Belgierin mit iranischen Wurzeln entwirft auf ihren altmeisterlich detailreichen Ölgemälden eine Welt zwischen Schönheit und Grauen im Kleinformat. Eingebettet in paradiesische Landschaften taucht immer wieder ein skurriles Skelett auf, dass sich an anderen menschlichen Knochen zu schaffen macht. Inspiriert sind diese durchaus auch humorvollen Bilder von Berichten über den „Green-River-Killer“, einen amerikanischen Serienkiller aus den 1980er Jahren (Preisspanne: 20.000-28.000 Euro).

 

Sanam Khatibi: I’ve known you for years, 2023
Oil and pastel on panel
23 x 30.5 cm (unframed) 9 x 12 in
24.2 x 31.7 cm (framed) 9 1/2 x 12 1/2 in, Foto: Galerie Rodolphe Janssen, Brüssel

 

Doch der Fokus auf narrative Malerei kommt nicht bei allen Besucher:innen so gut an. Marc Gensollen, einer der wichtigsten französischen Sammler von Konzeptkunst, bedauert, dass es auf der Art Brussels zu viel „lyrische Malerei“ gebe. Für den in Marseille beheimateten Psychoanalytiker hält die Messe jedoch auch Abgründigeres bereit. So zum Beispiel in der Sektion Solo am Stand von Harlan Levey Projects aus Brüssel. In einer kleinen Retrospektive sind hier Arbeiten des 1972 geborenen US-Künstlers TR Ericsson zu sehen. Der am Stand präsente, in Habitus und Radikalität an den norwegischen Schriftsteller Karl Ove Knausgård erinnernde Ericsson setzt sich in verschiedenen Medien mit dem Verrinnen der menschlichen Lebenszeit auseinander. Ausgangspunkt seiner autobiografisch unterfütterten Arbeiten ist der Freitod seiner Mutter im Jahr 2003. Deren Porträt taucht unter anderem auf einem Siebdruck auf, für dessen Herstellung der Künstler auch Aschepartikel seiner Mutter als Pigmente verwendet hat (Preise zwischen 8.000 und 40.000 Euro).

 

Solopräsentation von TR Ericsson bei Stand von Harlan Levey Projects, Brüssel, Installationsansicht, Foto: © TR Ericsson

Ebenfalls konzeptuell, aber viel spielerischer kommt der Stand der Brüsseler Galerie „Sorry We’re Closed“ daher, die in jedem Jahr mit einem außergewöhnlichen Standkonzept reüssiert. Diesmal hat Galerist Sébastien Janssen seine Künstler gebeten, sich von dem Frank Zappa-Song „Don’t Eat The Yellow Snow“ inspirieren zu lassen. Zu sehen ist etwa ein knallgelber Metallhund des Berliner Bildhauers Thomas Kiesewetter oder eine Keramikvase mit Sonnenblumenmotiven in verträumter Folk-Optik der Kalifornierin Jennifer Rochlin (Preise auf Anfrage).

 

Stand von Sorry We’re Closed, Brüssel, Foto: Galerie Sorry We’re Closed

Der 1972 geborene belgische Maler Benoit Platéus wiederum beschäftigt sich mit der Entmaterialisierung vorgefundener Bilder zum Beispiel von Protagonisten der Moderne wie Max Ernst, Marc Chagall oder Piet Mondrian, die er auf seinen großformatigen Leinwänden so stark zerlegt, dass am Ende nur noch visuelle Spuren der Originale sichtbar bleiben. Die Brüsseler Galerie Meessen widmet ihm eine Solo-Präsentation (Preise zwischen 9.000 und 37.000 Euro).

 

Benoit Platéus
Untitled, 2024
Oil and paper on canvas 53 x 60 cm,
Foto: Galerie Meessen, Brüssel

 

Daneben sind am Stand von Meessen etliche weitere Positionen versammelt, die sich mit visuellen Vorlagen der Vor- und Frühgeschichte und der Antike, Transformationen und Schriftsystemen auseinandersetzen. So kontrastiert etwa der 1980 in Peru geborene Künstler Nicolás Lamas in einem fast aseptisch wirkenden, an die Wand montierten Glaskasten die Kopie einer mesopotamischen Schriftplatte mit Computerschrott in Form einer halb zerstörten Platine. Die Arbeit „Archaeology of data“ von 2023 kostet 8.000 Euro.

 

Nicolás Lamas
Archaeology of data, 2023
Copy of mesopotamian tablet and electronic card 38 x 51 x 28 cm,
Foto: Galerie Meessen, Brüssel

 

Eine der wenigen Galerien, die digitale und mit KI erzeugte Kunst im Gepäck hat, ist Office Impart aus Berlin. In einer Solo-Präsentation sind hier digitale und analoge Gemälde und eine Videoarbeit der Amerikanerin Sara Ludy, Jahrgang 1980, zu sehen. Das Video „Metamimics“ (2023) ist ein Hingucker auf der Messe (11.400 Euro, Auflage: 6). Ludy zeigt ihre superfluiden, digitalen Protagonisten in sieben für die menschliche Gesellschaft typischen Situationen, etwa am Strand, beim Dinner oder am Pool.

 

Sara Ludy: Metamimics, Still, Foto: Office Impart, Berlin

Die Düsseldorfer Galerie Van Horn wiederum hat eindrucksstarke Bilder der Künstlerin Anys Reimann mit nach Brüssel gebracht. Die in Düsseldorf lebende Tochter einer deutschen Mutter und eines westafrikanischen Vaters thematisiert auf ihren in Ölmalerei und Collage-Technik entstehenden  Arbeiten die  eigene bikulturelle Herkunft. Ihre selbstbewussten, die Betrachter:innen herausfordernd anblickenden Protagonistinnen sind hybride Wesen, zusammengesetzt aus den Features ganz unterschiedlicher Frauen. In den Bildern ihrer imaginären Powerfrauen amalgamiert Reimann Elemente aus Afrika und Europa, Mythos und Alltag, Kunstgeschichte, Mode und Popkultur (Preise zwischen 4.000 und 16.500 Euro).

 

Anys Reimann, BLACK PLATEAU V, 10/2023
Mixed media collage, oil on canvas
180 x 120 cm, framed 184 x 124 x 3,5 cm unique, signed & dated verso courtesy VAN HORN, Düsseldorf

Die Art Brussels feierte in diesem Jahr ihr 40. Jubiläum. Genau 26.000 Besucher:innen konnten gezählt werden. Auf einer großen Fotowand zwischen den Hallen sind Höhepunkte aus dieser Zeit versammelt. Dennoch kam bei den Messeteilnehmer:innen nicht nur Champagnerlaune auf. Auch Messedirektorin Nele Verhaeren äußerte sich beim Pressetalk besorgt über die im Raum stehende Mehrwertsteuererhöhung: „Am Ende könnte das den Vibe des gesamten kulturellen Sektors in Belgien beeinträchtigen.“ Gefährdet sieht sie nicht nur Künstler:innen und Galerist:innen sondern auch Kritiker:innen, Fotograf:innen, Produktionsstudios, die Gastronomie und nicht zuletzt die Messegesellschaft selbst.

 

Fotowand zum Jubiläum, Foto: Heiko Klaas

Auch Olivier Meessen zeigte sich trotz erster Verkäufe etwas verhalten: „Es ist nicht das beste Jahr. Viele Leute sind zur Zeit etwas vorsichtig.“ Zum Thema Mehrwertsteuererhöhung gibt er sich zweckoptimistisch: „Zuerst waren wir Galeristen darüber sehr erschrocken. Im Moment liegt das angesichts der Neuwahlen im Juni aber zum Glück auf Eis.“ Die Steuerpläne beträfen ja neben dem Kunsthandel auch noch etliche andere Branchen. Immerhin sei es ihm zusammen mit einer Gruppe befreundeter Galerist:innen Anfang April gelungen, bei einem Dinner mit dem Premierminister auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Schließlich sei es doch so, wer am lautesten schreie, werde am Ende hoffentlich auch gehört werden. Doch er entwirft auch ein „Worst-Case-Szenario“: „Sollte es wirklich so weit kommen, ist die französische Großstadt Lille ja nicht allzu weit von der belgischen Grenze entfernt.“ Denkbar sei es, dass sich dann mehrere große belgische Galerien zusammentun, dort eine große Halle mieten, diese abwechselnd bespielen und die Arbeiten dann zum ermäßigten französischen Steuersatz von 5,5% verkaufen. Für den belgischen Markt wäre eine derartige Verlagerung ins benachbarte Ausland natürlich eine Katastrophe.

 

Lilian Bourgeat: Bottes, 2022, Galerie lange + pult, Zürich, Foto: Heiko Klaas

Auf einen Blick:

Messe: 40. Art Brussels

Ort: Brussels Expo, Hallen 5 und 6, Place de la Belgique 1, 1020 Brüssel

Zeit: 26.-28. April 2024, Preview und Vernissage am 25. April 2024 (nur auf Einladung)

Internet: www.artbrussels.com

Nächster Termin: 24.-27. April 2025

Die Partnermesse Art Antwerp findet vom 12.-15. Dezember 2024 statt.

 

Das Nummernschild als Statement: Auto eines belgischen Kunstsammlers auf dem Parkplatz der Art Brussels, Foto: Heiko Klaas

 

Auf der „Belgian Beer Terrace“, Foto: Heiko Klaas

 

Art Brussels, Brussels Expo Außenansicht, Foto: Heiko Klaas

 

Foto: Heiko Klaas

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Nicole Buesing und Heiko Klaas
Nicole Büsing und Heiko Klaas sind seit 1997 als freie Kunstjournalisten und Kritiker für zahlreiche Magazine, Tageszeitungen und Online-Magazine tätig. Daneben schreiben sie auch Katalogbeiträge. Sie leben in Hamburg und Berlin. Regelmäßige Veröffentlichungen über Kunst und Kunstmarkt z.B. in Kunstmarkt.com, Monopol, Artmapp, Hatjecantz.de, Artist Kunstmagazin, Artline, Spiegel online, DARE, Kultur & Gespenster, Photonews, Kunsttermine, Zeitkunst, Künstler-Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Next Level, Art, Die Welt, Der Tagesspiegel, www.artlog.net, diverse regionale Tageszeitungen wie Kieler Nachrichten, Weser-Kurier, Neue Osnabrücker Zeitung, Saarbrücker Zeitung, Südkurier, Nürnberger Nachrichten, Flensburger Tageblatt, Freie Presse, etc. klaas.buesing@gmail.com




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