Ein ganzes Bündel unterschiedlicher Kunstmessen lockt im September nach Wien
Wer sich an den kommenden Tagen ins Wiener Kunstmesse-Karussell stürzen möchte, hat alle Hände voll zu tun. Schon am Mittwoch, dem 11. September feiert die „Particolare“ ihre Premiere, ein neues Format, das sich als „kuratierter Salon für zeitgenössische Kunst“ bezeichnet. Zeitgleich beginnt auch die in der Wiener Kunstszene allseits beliebte „Parallel Vienna“. Diese findet seit 2013 statt und versteht sich als quirliger Hybrid zwischen Atelier, Ausstellungsplattform und Kunstmesse. Zu den Ausstellern gehören zwar auch kommerzielle Galerien, in erster Linie aber Off Spaces, Projekträume und von der Messe eingeladene Künstler:innen. Die „Parallel“ hat Festivalcharakter. Es gibt Performances und ein breites gastronomisches Angebot. Rund 17.000 Besucher:innen wussten das im letzten Jahr zu schätzen. Die Messe findet jeweils in leerstehenden Gebäuden statt. In diesem Jahr zum zweiten Mal auf dem Otto Wagner Areal, einem ehemaligen Krankenhausgelände mit luftigem Parkcharakter ganz im Westen der Stadt.
Austragungsort der „Particolare“ wiederum ist der 1867 eröffnete Kursalon Wien, eine alle Wien-Klischees bedienende Eventlocation mit opulenten Prunkräumen im Stil der italienischen Renaissance. Walzerkönig Johann Strauß II. feierte hier einst seine größten Erfolge. Das neue Format versammelt mehr als 50 Positionen, die sich mit den Phänomenen Zeit und Bewegung auseinandersetzen, darunter Arbeiten so bekannter Künstler:innen wie Michelangelo Pistoletto, Marisa Merz, Angela Bulloch oder Wim Delvoye. Namhafte Galerien wie Air de Paris, Esther Schipper, Nagel Draxler, Marian Goodman oder Zeller Van Almsick haben Werke zur Verfügung gestellt. Als Berater hat man sich mit dem in New York lebenden Bulgaren Stephan Stoyanov und dem Schweizer Kurator und ehemaligen Direktor des Palais de Tokyo, Marc-Olivier Wahler, zwei international bestens vernetzte Tausendsassas ins Boot geholt. Flankiert wird das Projekt von Talks, Vorträgen und kleinen Konzerten mit Stücken der klassischen Avantgarde. Bleibt abzuwarten, ob das ungewöhnliche Konzept aufgeht.
Unumstrittener Platzhirsch im Wiener Messegeschehen ist allerdings die 2015 gegründete „viennacontemporary“, Österreichs internationale Messe für zeitgenössische Kunst mit Schwerpunkt auf Zentral- und Osteuropa. In ihrer relativ kurzen Existenz hat die Messe bereits drei künstlerische Leitungen verschlissen. Doch unter den teilnehmenden Galerien keimt Hoffnung auf, dass es mit der neuen Messedirektorin, Francesca Gavin, Licht am Ende des Tunnels zu sehen gibt. Die 1975 in London geborene Gavin hat sich in der Vergangenheit als Autorin, Herausgeberin und Kuratorin international einen guten Ruf erworben. So war sie 2016 Co-Kuratorin der Manifesta 11 in Zürich. Ihre damalige Begegnung mit der Künstlergruppe Gelitin lockte sie schließlich nach Wien.
„An der diesjährigen »viennacontemporary« nehme ich auch deshalb teil, weil sie sich mit Francesca Gavin eine Visionärin an Bord geholt haben, die wirklich neue Ideen und interessante, relevante Visionen für die Messe hat, und auch die Tatkraft, diese umzusetzen. Ich setze sehr große Hoffnungen in sie“, gibt sich die Wiener Galeristin Sophie Tappeiner optimistisch. Sie lobt die Umtriebigkeit, Neugierde, Extrovertiertheit und Zugänglichkeit Gavins und betont, dass sie im Wiener Kunstbetrieb bereits sehr gut angekommen sei. Sophie Tappeiner wird auf der „viennacontemporary“ aus ihrem Programm von zehn Künstler:innen acht vorstellen. Darunter auch die für ihre feministisch unterfütterten, analogen Selbstporträts bekannte junge Fotografin Sophie Thun. „Grob gesagt, wird es in der Präsentation um den menschlichen Körper gehen: seine Stärken, seine Verletzlichkeit, aber auch den Körper als Maschine“, so Sophie Tappeiner.
Mit 98 Galerien und sechs institutionellen Ausstellern aus 24 Ländern ist die diesjährige Ausgabe der „viennacontemporary“ die größte seit Jahren. Die Rückkehr nach jahrelanger Wanderschaft auf das Wiener Messegelände erscheint da nur logisch. Francesca Gavin lobt die rund 9.000 Quadratmeter große Halle D der Messe: „Es ist ein unglaubliches Gebäude. Es hat diesen Stil von modernem Neoklassizismus mit einer sehr hohen Decke und Betonsäulen. Es ist ein großartiger Ort für meine Vorstellung einer wirklich klaren, zugänglichen und gut ausgestatteten Kunstmesse.“
In der von dem Wiener Künstler Bruno Mokross kuratierten Sektion „ZONE1“ werden zehn Solo-Präsentationen für aufstrebende Künstler:innen unter 40 gezeigt, die einen Bezug zu Österreich haben. Kurator:innen und mutige Sammler:innen beginnen hier ihren Messerundgang.
Zu den regelmäßigen Teilnehmern der Messe gehört auch die Sarieva Gallery aus dem bulgarischen Plovdiv. Bedingt durch die Pandemie hat die Galerie jetzt einige Jahre nicht an der „viennacontemporary“ teilgenomen. Galeristin Vesselina Sarieva: „Dieses Jahr kehren wir nach Wien zurück, um neue Künstler:innen mit einer Auswahl an Objekten, Zeichnungen und Gemälden von Dimitar Genchev, Denitsa Todorova und Maria Nalbantova vorzustellen.“ Zudem lobt sie den Standort Wien: „Die Wiener Kunstszene ist dynamisch und wird durch eine neue Welle von Sammler:innen und Galerien, die sowohl lokal als auch international aktiv sind, ständig erneuert. Die institutionelle Unterstützung ist in Wien im Vergleich zu anderen Regionen besonders stark. Einer meiner Künstler, Kamen Stoyanov, lebt beispielsweise in Wien, und seine Werke sind Teil bedeutender öffentlicher und privater österreichischer Sammlungen.“
Der neuen Messeleitung traut sie in den sich gerade schnell ändernden Zeiten einiges zu: „Ich glaube, dass die Organisatoren der Messe ehrgeizig, stolz und bestrebt sind, Kooperationen zu fördern und den Fortschritt voranzutreiben. Manchmal kann sich Wien zu gemütlich anfühlen, daher ist es wichtig, dass Besucher:innen und Sammler:innen den Wunsch mitbringen, neue Kunst zu entdecken, sich Wissen anzueignen, Beziehungen aufzubauen und hoffentlich auch Kunst zu erwerben.“
Aus Budapest wiederum stammt die Ani Molnár Galéria, eine 2009 gegründete und auf konzeptuelle Kunst aus Ungarn und anderen osteuropäischen Ländern spezialisierte Galerie, die an zahlreichen internationalen Messen teilnimmt. Was ihr am Wiener Publikum gefällt, formuliert Annamaria Molnár so: „Im letzten Jahrzehnt haben wir hier viele Sammler:innen getroffen, einige von ihnen unterstützen die Galerie seit Jahren, und wir hoffen, unser Netzwerk dieses Jahr erweitern zu können. Wiener Sammler:innen haben einen ausgeprägten Geschmack und eine Aufgeschlossenheit gegenüber osteuropäischer Kunst. Häufig besuchen sie auch andere europäische Kunstmessen. Die geografische Nähe von Budapest und Wien erleichtert zudem die Pflege dieser Beziehungen.“
Die Galerie präsentiert auf der „viennacontemporary“ zwei Maler und einen Fotografen. „Wir bringen Acrylgemälde von Tamás Konok mit, die größtenteils in den 1970er und 1990er Jahren entstanden sind, die neuesten geometrisch-abstrakten Werke von András Wolsky und Stadtlandschaften, die in den digital manipulierten Fotografien von Balász Csizik in minimalistische Formen und Primärfarben verwandelt wurden“, so Annamaria Molnár.
Viel zu sehen also. Denjenigen aber, die einen entspannten Rundgang durch die über die ganze Stadt verstreuten Galerien einem hektischen Messebesuch vorziehen, sei noch das alljährliche Galerienfestival „Curated by“ empfohlen. Internationale Kurator:innen präsentieren vier Wochen lang in 24 Wiener Galerien Ausstellungen zu einem gemeinsamen Thema. Die diesjährige Ausgabe widmet sich unter dem Motto „Untold Narratives“ dem Thema Archiv.
Particolare: 11.-15. September, Kursalon Wien
www.particolare.com
Parallel Vienna: 11.-15. September, Otto Wagner Areal
www.parallelvienna.com
viennacontemporary: 12.-15. September, Messe Wien, Halle D
www.viennacontemporary.at
Curated by: 17.9.-19.10., Galerien in Wien
www.curatedby.at