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Der flammende Abgrund der Leere

19.05.25  Von Nicole Buesing und Heiko Klaas


Neuerdings treten ihre Protagonist:innen aus dem Bild hinaus in den physischen Raum: Das Wiener Künstlerpaar Muntean/Rosenblum zeigt in der Galerie Zink in Waldkirchen neben Gemälden und Videoarbeiten erstmals auch lebensgroße Skulpturen

Muntean/Rosenblum sind im internationalen Kunstbetrieb seit über 30 Jahren primär als Schöpfer melancholisch aufgeladener Gemälde bekannt, auf welchen gut aussehende, hip gekleidete und mit angesagten Accessoires ausgestattete junge Menschen vornehmlich in Freizeitsituationen zu sehen sind. Den Hintergrund bilden meist Landschaften und Szenerien, die im Prinzip jedermann vertraut sind, in ihrer Austauschbarkeit und Genormtheit dann aber wieder seltsam unvertraut wirken. Häufig sind das zivilisatorisch aufgeladene Orte wie Einkaufspassagen, Rolltreppen, Skateparks, mit Graffiti besprühte Unterführungen, Hotellobbys, anonyme Großraumbüros oder die Wartezonen auf Flughäfen. Auf anderen Bildern sind es wiederum intimere Räume: etwa die Privatheit eines Schlafzimmers.

 

Muntean/Rosenblum: The universe is half dark half light, 2024, Courtesy of the artists and gallery Zink

Oder aber die stets ermattet wirkenden Protagonist:innen entscheiden sich für das kollektive Abtauchen in einem Seerosenteich à la Claude Monet, was die Stimmung dann allerdings auch nicht unbedingt zu heben scheint. Denn die auf den Bildern des Künstlerduos dargestellten Menschen haben, auch wenn sie innerhalb von größeren Gruppen agieren, einen Hang zur Vereinzelung und zur selbstbezüglichen Nach-Innen-Gewandtheit. Allen Arbeiten von Muntean/Rosenblum gemeinsam ist aber noch ein weiteres zentrales Element: Die eigentlichen Motive nehmen nicht die ganze Bildfläche oder das ganze Blatt ein. Sie sind stets mit einer weißen Umrandung versehen, auf deren unterem Feld ein- bis zweizeilige Texte in englischer Sprache zu lesen sind. Doch dazu später mehr.

Muntean/Rosenblum: Something is always somehow left over, 2025, Courtesy of the artists and gallery Zink

Wer die Arbeiten von Muntean/Rosenblum kennt und die aktuelle Ausstellung der beiden mit dem Titel „There is a Silence to Fill“ in der Galerie Zink in Waldkirchen in der Oberpfalz ganz unvorbereitet und alleine betritt, könnte im ersten Moment erschrecken. Denn plötzlich treten einzelne Figuren in Lebensgröße aus den Bildern heraus und stehen ausdrucksstark und in voller Präsenz im Ausstellungsraum.

 

Muntean/Rosenblum: There is a Silence to Fill, Courtesy of the artists and gallery Zink

Das Künstlerpaar hat neuerdings die Möglichkeiten des 3D-Printers für seine Arbeit entdeckt und nutzbar gemacht. Drei junge, barfüßige Gestalten, zwei Frauen und ein Mann in legerer Alltagskleidung, stehen da im Galerieraum und halten kleine Pappschilder hoch. Zwei davon an Holzstangen befestigt, eins in der offenen Hand. „Tell what can not be told“ heißt es auf einem davon, „There is a Silence to Fill“ auf einem anderen. Und auf dem dritten steht: „The Flaming Abyss of Emptiness“: Der flammende Abgrund der Leere. Um eine politische Kundgebung oder Demonstration von Angehörigen der Generation Z scheint es sich eher nicht zu handeln. Dafür sind die Botschaften zu kryptisch und zeitlos. Wohnen wir Schauspielern bei der Probe bei? Oder traumverlorenen Schlafwandlern, die unvermittelt aus einem Gemälde des Künstlerduos heraus gestiegen sind? Raum für Fragen und eigene Assoziationen der Betrachtenden, wird hier, wie stets in den Werken von Muntean/Rosenblum genügend gelassen.

Muntean/Rosenblum: There is a Silence to Fill, Courtesy of the artists and gallery Zink, Foto: Erich Spahn

Bemerkenswert ist auch, dass die neuen Arbeiten, so sehr sie auch aus komplexen Hightech-Verfahren, wie der digitalen Erfassung der Modelle und der Produktion ihrer skulpturalen Wiedergänger im technisch aufwendigen und langwierigen 3D-Schichtaufbau hervorgegangen sind, letztlich gar keine wirkliche Abkehr von der Malerei darstellen. Denn egal, ob glatte oder lockige Haare, zarte Hauttöne, das Rot der Wangen, die Farbe der Augen, der dicke Stoff eines Trenchcoats oder das leicht verwaschene Blau eines Jeansstoffes: Alle Farben sind – wie auf den Gemälden und Papierarbeiten auch – von Muntean/Rosenblum per Hand in lasierender Ölmalerei aufgetragen. Aus dem subtilen Wechselspiel von den in zahlreichen Arbeitsgängen dünn aufgebrachten transparenten und semitransparenten Farbschichten resultieren nuancenreiche Oberflächen voller Leuchtkraft und Tiefe. Was eben noch als zweidimensionale Abbildung einer Person auf der Bildfläche existierte, kann hier plötzlich physisch erfahren und aus allen nur denkbaren Blickwinkeln betrachtet werden.

 

Muntean/Rosenblum: A version of freedom, 2025, Courtesy of the artists and gallery Zink

Internationale Lifestyle- und Modezeitschriften wie Vogue, The Face oder i-D, YouTube-Videos, Social Media Content oder andere Bilder aus dem Internet: Die sich permanent erneuernde mediale Bilderflut betrachten Muntean/Rosenblum als „Rohmaterial“, aus dem sie ihre Motive auswählen, um daraus im Medium der Malerei Bilder von wesentlich längerer Halbwertzeit und universaler Gültigkeit zu schaffen. Für individuelle Shootings suchen sie sich in den Karteien von Modelagenturen aber auch genau die Persönlichkeitstypen aus, die ihnen für zukünftige Werke am passendsten erscheinen. Seit Neuestem fließen auch Bildschirmschoner- und Hintergrundmotive in ihre Landschaftsdarstellungen ein.

Doch dieses Ausgangsmaterial wird erst in einem zweiten Schritt zu neuen Bildtableaus amalgamiert. Erst die Summe der einzelnen Elemente bildet das in hohem Maße konstruierte Gesamtbild. Eine Eins-zu-eins-Umsetzung von Fotografie in Malerei gibt es bei Muntean/Rosenblum nicht. Wer genau hinschaut wird, schnell bemerken, dass ihre Protagonist:innen mitunter seltsam deplatziert und orientierungslos wirken. Fast so, als wären sie gerade erst irgendwo anders aufgepickt und in den neuen Szenerien ausgesetzt worden und müssten sich erst einmal mit der Umgebung und den Umstehenden arrangieren.

 

Muntean/Rosenblum: A place where we are really expected, 2025, Courtesy of the artists and gallery Zink

Auf dem Gemälde „THE UNEXPECTED SOMETIMES LOOKS LIKE A PROMPTING OF FATE“ (2025) etwa steht ein junger Mann ganz ohne Schal und Handschuhe auf einer schneebedeckten Allee. Zu frieren scheint er nicht. Auf einem anderen Bild posiert ein Jugendlicher in Badehose vor einem einsamen Swimmingpool im Abendlicht. Zeit, noch ins kühle Wasser einzutauchen? Diese Szene auf dem Gemälde „WE SUFFER FROM THE THINGS, WE OURSELVES HAVE INVENTED“ (2025) wirkt fast, als wäre sie von Lars von Triers Endzeitfilm „Melancholia“ (2011) inspiriert.

Muntean/Rosenblum: We suffer from the things, we ourselves have invented, 2025, Courtesy of the artists and gallery Zink, Foto: Erich Spahn

In einem Gespräch mit dem Magazin „Kunstforum“ hat Markus Muntean das an Samplingtechniken erinnernde Verfahren der Bildkomposition folgendermaßen beschrieben: „Wir verwenden zwar fotografische Vorlagen aus Zeitschriften, bauen sie aber vollkommen neu zusammen. Was entsteht, ist total konstruiert. Natürlich ergibt sich ein räumliches Kontinuum, aber es ist alles zusammengesetzt. Es sind keine konkreten Fotos, die wir abmalen, sondern wir nehmen hier einen Kopf, dort einen Oberkörper oder die Hände, wir verändern die Details und fügen sie zu neuen Kompositionen.“

Ganz ähnlich geht das Künstlerpaar bei der Auswahl der Textzeilen vor. Diese entstammen häufig Texten der Weltliteratur, etwa von Fjodor Dostojewski, Rainer Maria Rilke oder Virginia Woolf, und scheinen auf den ersten Blick die Bildmotive sinnvoll zu ergänzen und eine zusätzliche Bedeutungsebene zu eröffnen. Doch aufgepasst: So richtig bekommt man Bild- und Textebene nicht zusammen. Am Ende bleiben nicht auflösbare Ambivalenzen und Unstimmigkeiten übrig.

Muntean/Rosenblum: A prompting of fate, 2025, Courtesy of the artists and gallery Zink

Dazu noch einmal Adi Rosenblum im „Kunstforum“: „Beim ersten Lesen denken die Leute, die Sätze seien sehr profund und klug, doch beim zweiten Mal erkennt man, dass sie leer und nichtssagend sind. Dieser Effekt ist uns ganz wichtig: Wir wollen, dass die Betrachter berührt sind und sich angezogen fühlen, aber dann gleich auch wieder eine Distanz verspüren und gefordert sind, sich Gedanken zu machen.

Adi Rosenblum kam 1962 im israelischen Haifa zur Welt. Markus Muntean wurde 1962 in Graz geboren. Beide haben sich noch während ihres Studiums an der Akademie der bildenden Künste in Wien kennengelernt. Seit 1992 arbeiten sie gemeinsam, quasi „vierhändig“ an ihren Werken. Neben großformatigen Gemälden, Zeichnungen, Aquarellen und Collagen entstehen auch Installationen, Performances, Filme und Videoarbeiten.

 

Muntean/Rosenblum: A glimmer of consequence, 2025, Courtesy of the artists and gallery Zink

Das anhand von Kleidungsstil, Frisuren und Accessoires eher als zeitgenössisch zu identifizierende, durchweg jugendliche Personal ihrer Arbeiten fällt häufig dadurch auf, dass es in merkwürdig erstarrten, manieristischen oder in sonst unzeitgemäßen Posen verharrt. Ein gutes Beispiel dafür stellt die jetzt in Waldkirchen gezeigte Arbeit „IF YOU CLING TOP HARD TO WHAT YOU WANT TO SEE, YOU MISS WHAT IS ALREADY THERE“ (2023) dar. Da sitzt ein blond gelockter Jüngling mit bloßem Oberkörper und gefalteten Händen auf einem umgestürzten Baum, während ein dunkelhaariger Geschlechtsgenosse sein Antlitz in dem mit den Händen aufgefangenen Wasser eines Baches betrachtet. Narziss lässt grüßen. Die junge Frau ganz rechts in der urwaldartigen Szene dagegen schaut die Betrachtenden mit geradezu nymphenhaft-versonnenem Blick an. Eindeutig werden hier formelhafte Gesten und Gesichtsausdrücke, wie sie aus kunsthistorischen Vorläufern bekannt sind, zitiert und in die Gegenwart überführt.

 

Muntean/Rosenblum, There is a Silence to Fill, Courtesy of the artists and gallery Zink, Foto: Erich Spahn

Muntean/Rosenblum äußerten sich zum Thema Pathosgesten in einem Interview mit dem Wiener Kunsttheoretiker Axel Stockburger, das im Katalog zu ihrer Einzelausstellung 2024 im Frankfurter Städel erschienen ist: „Wir haben keine Angst vor Pathos als einer Form der Verhandlung von Emotion, und wir waren immer schon an der historischen Dimension von Bildern interessiert, die beim Betrachter Affekte auslösen können. Mit dem Aufstieg der digitalen Kultur haben wir eine enorme Zunahme verschiedenster Bilderzeugungstechniken beobachtet und für uns das gemalte Bild als das Feld festgelegt, auf dem wir Fragen zu diesen neuartigen Bildwelten, ihren Qualitäten und ihren Problemen behandeln“.

Ob Gemälde auf Leinwandplanen, die mit Ösen versehen an der Wand befestigt werden oder neuerdings auch auf Aluminium-Verbundplatten ausgeführt werden, Papierarbeiten in einer Mischtechnik aus Ölfarbe und Pastellkreide, Videoarbeiten oder die ganz neuen Skulpturen: In der  umfassenden Galerieausstellung bei Michael Zink in Waldkirchen lässt sich jetzt trefflich in den gedanklichen Kosmos und die neueste Produktion des Künstlerduos eintauchen. Wer noch mehr von den beiden sehen und entdecken möchte, sei auf die kommende Gruppenausstellung „Zusammen arbeiten. Working together as Artist Duos – Works and Strategies“ im Haus der Kunst in München (26. Juli bis 7. September 2025) zum Thema Künstlerpaare verwiesen, in welcher weitere Arbeiten von Muntean/Rosenblum präsentiert werden.

Muntean/Rosenblum: There is a Silence to Fill, Courtesy of the artists and gallery Zink, Foto: Erich Spahn

Auf einen Blick:

Ausstellung: MUNTEAN/ROSENBLUM – There is a Silence to Fill

Ort: Galerie Zink, Waldkirchen 2, 92358 Seubersdorf

Zeit: bis 22. Juni 2025, jeden Sonntag 14.30-18 Uhr und nach Vereinbarung

Katalog: Katalog zur Ausstellung „Mirror of Thoughts“, 2024 im Städel Museum, Frankfurt, Verlag für moderne Kunst, 114 S., zahlreiche Abb., 32 Euro

Internet: www.galerie-zink.com
www.munteanrosenblum.com

 

Galerie Zink Waldkirchen, Foto: Erich Spahn

 

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Nicole Buesing und Heiko Klaas
Nicole Büsing und Heiko Klaas sind seit 1997 als freie Kunstjournalisten und Kritiker für zahlreiche Magazine, Tageszeitungen und Online-Magazine tätig. Daneben schreiben sie auch Katalogbeiträge. Sie leben in Hamburg und Berlin. Regelmäßige Veröffentlichungen über Kunst und Kunstmarkt z.B. in Kunstmarkt.com, Monopol, Artmapp, Hatjecantz.de, Artist Kunstmagazin, Artline, Spiegel online, DARE, Kultur & Gespenster, Photonews, Kunsttermine, Zeitkunst, Künstler-Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Next Level, Art, Die Welt, Der Tagesspiegel, www.artlog.net, diverse regionale Tageszeitungen wie Kieler Nachrichten, Weser-Kurier, Neue Osnabrücker Zeitung, Saarbrücker Zeitung, Südkurier, Nürnberger Nachrichten, Flensburger Tageblatt, Freie Presse, etc. klaas.buesing@gmail.com




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