Käthe-Kollwitz-Preis 2017: Die Akademie der Künste in Berlin zeigt Großplakate und Bildprojektionen der Düsseldorfer Künstlerin Katharina Sieverding
Jedermann präsent sind zur Zeit die dramatischen Bilder von den Gewaltexzessen während des G20-Gipfels im Hamburger Schanzenviertel. Eine Künstlerin, die Bilder dieser Art seit Jahrzehnten mit einem großen professionellen Interesse wahrnimmt, ist Katharina Sieverding, Jahrgang 1944. Jetzt erhielt die einstige Meisterschülerin von Joseph Beuys, die seit den späten 1960er Jahren mit ihrer Kunst auch prononcierte politische Statements abgibt, den mit 12.000 Euro dotierten Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste in Berlin. Mit dem Preis verbunden ist eine Ausstellung in den Räumen der Akademie am Hanseatenweg.
In einer offenen Architektur zeigt die Grande Dame der perfekt durchgestalteten Bild-Text-Montage hier 19 direkt auf die Wand geklebte Großplakate im Standardmaß 252 x 356 Zentimeter mit politisch aufgeladenen Botschaften, die während verschiedener Aktionen zwischen 1978 und 2017 auch auf Großplakatwänden deutscher Städte öffentlich präsentiert wurden. Die allzu komfortable Schutzzone Museum immer wieder zu verlassen und die eigene Kunst öffentlich angreifbar zu machen, zeichnet die mutige Strategie dieser Künstlerin aus. Sieverding transformiert eigene oder in den Medien gefundene Fotografien, indem sie diese zu Montagen verarbeitet, re-fotografiert, grob rastert und mit prägnanten Textelementen versieht, um so die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen. Daneben ist sie bekannt dafür, sich selbst bei allen ihren Auftritten mit rotem Zopf, stets perfekt abgestimmtem schwarzen Outfit und Sonnenbrille als Marke mit hohem Wiedererkennungswert zu inszenieren.
„Deutschland wird deutscher“, eine ihrer bekanntesten Arbeiten, basiert auf einer Überschrift aus der Wochenzeitung „Die Zeit“ von 1992. Zu sehen ist der Kopf der Künstlerin, brutal bedrängt von Wurfmessern, wie sie von Messerwerfern im Zirkus verwendet werden. Angesichts der Hamburger Ereignisse ganz aktuell wirkt das Plakat „Schlachtfeld Deutschland“ aus dem Jahr 1978, dem ein Pressefoto der hochgerüsteten Antiterroreinheit GSG 9 als Basis diente. Ganz neu ist ein Großplakat mit dem Titel „GLOBAL DESIRE II“. Versehen mit der Headline „AM FALSCHEN ORT“ überblendet Katharina Sieverding hier eine Aufnahme des größten syrischen Flüchtlingslagers in Jordanien mit einem Pressebild, das russische Soldaten beim Beladen eines Kampfjets mit Bomben zeigt.
Katharina Sieverding gelingt es immer wieder, Text und Bild in einen kongenialen, dabei oft überraschenden und gleichzeitig ästhetisch überzeugenden Zusammenhang zu bringen. „Das große Format ist für mich dadurch entstanden, indem ich den Bildraum so benutze, dass der Betrachter sich »life-size« in diesen hineindenken kann“, erläutert die Düsseldorfer Künstlerin ihr bevorzugtes Medium.
Besonders sehenswert ist auch die Arbeit „Testcuts“, eine 9-Kanal-Bildprojektion, bestehend aus mehreren Tausend Schwarz-Weiß-Fotos aus dem seit 1966 ständig anwachsenden Archiv der Künstlerin, die nach dem Zufallsprinzip dynamisch miteinander in Dialog treten. Die Projektion füllt eine ganze Wand in einem großen, komplett abgedunkelten Ausstellungsraum mit Sitzbänken. Sie gleicht dabei einem erweiterten Familienalbum. Weggefährten aus der Beuys-Klasse wie Sigmar Polke oder Blinky Palermo treffen auf andere Protagonisten des Kunstbetriebs wie Andy Warhol, den Kurator Kasper König oder den Galeristen Mehdi Chouakri. Mit dabei sind aber auch die ebenfalls künstlerisch tätigen, erwachsenen Kinder Katharina Sieverdings sowie sie selbst in zahlreichen Passbildautomaten-Porträts aus mehreren Jahrzehnten.
Eine sehenswerte Schau, die Insider und Beobachter des Kunstbetriebs ebenso wie eher politisch interessierte Besucher ansprechen dürfte.
Auf einen Blick:
Ausstellung: Katharina Sieverding. Käthe-Kollwitz-Preis 2017
Ort: Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin
Zeit: 12. Juli bis 27. August 2017. Di-So 11-19 Uhr
Katalog: Hrsg. Akademie der Künste, 48 S., 13 Farbabb., 10 Euro
Internet: www.adk.de