Die 49. Art Basel will nicht nur Umschlagplatz von millionenteuren Kunstwerken sondern auch Austragungsort von notwendigen Debatten sein
Von ganz oben hat man immer den besten Überblick. Das wissen nicht nur Jäger, die gerne vom Hochsitz aus ihre Beute ins Visier nehmen. In der auf spektakuläre Großprojekte spezialisierten Sektion Unlimited der 49. Ausgabe der Art Basel, die immer noch als die weltweit wichtigste Kunstmesse gilt, hat der französische Künstler Daniel Buren eine weitläufige Gerüstplattform aufgebaut, die es dem Besucher ermöglicht, die 72 auf rund 17.000 Quadratmetern präsentierten Monumentalwerke der Unlimited zunächst einmal aus luftiger Höhe zu betrachten, ehe er sich diese im Detail anschaut. Holzpaneele mit grün-weißem Streifenmuster weisen die Konstruktion als typisches Werk des 1938 geborenen Konzeptkünstlers aus. Das Dickicht des Unlimited-Angebots kommt 2018 jedoch etwas mutloser daher als noch in den Vorjahren. Vintage dominiert vor Cutting Edge.
290 Galerien aus 35 Ländern rund um den Globus sind auch dieses Jahr wieder nach Basel gereist, um einem erlesenen Publikum ausgewählte Werke der Medien Malerei, Zeichnung, Skulptur, Fotografie, Videokunst, Installation und digitale Kunst zu offerieren. Zeitgenössisches dominiert, doch auch Liebhaber der Klassischen Moderne finden hier Spitzenwerke.
Jahr für Jahr ist das aus renommierten Galeristen bestehende Auswahlkomitee gefordert, aus rund 700 bis 900 Bewerbungen die vielversprechendsten Teilnehmer auszuwählen. Dass eine Teilnahme an der Art Basel jedoch längst nicht mit einer Lizenz zum Gelddrucken gleichzusetzen ist, bestätigt auch Messedirektor Marc Spiegler. Gerade für jüngere Galerien seien schwere Zeiten angebrochen. Eine mit hohen Kosten verbundene Messeteilnahme könne bei ausbleibenden Verkäufen durchaus auch das vorläufige Aus bedeuten. Spotify statt Plattensammlung, Carsharing statt privates Auto, Airbnb statt Eigenheim: Die jüngere Generation setzt auf die Sharing Economy statt auf individuellen Besitz.
Stellt dieser Mentalitätswandel auf Dauer eine Bedrohung für den Kunstmarkt dar? Marc Spiegler dazu: „Ist die Kunst der Zukunft eher an Objekte oder Erfahrungen gebunden? Man sollte sich noch keine allzu großen Sorgen machen, aber trotzdem schon einmal darüber nachdenken.“ Noch scheint alles im grünen Bereich. Rund 90.000 Besucher werden in den nächsten Tagen in den Messehallen erwartet.
Was gibt es zu sehen? Es fällt auf, dass zwischen den vielen hochpreisigen Spitzenwerken von Museumsqualität gerade in diesem Jahr einige zugespitzte Arbeiten auf der Messe gezeigt werden, die explizit politisch oder gesellschaftskritisch ausgerichtet sind. So etwa am Stand der Berliner Galerie KOW, die neben eindringlichen Fotografien, die der Berliner Tobias Zielony von homosexuellen Jugendlichen in Riga gemacht hat, auch aktuelle und ältere Arbeiten der in Berlin lebenden Südafrikanerin Candice Breitz zeigt. Breitz setzt sich in ihrer interviewbasierten, rund einstündigen Videoinstallation „TLDR“ mit der Ambivalenz von Machtstrukturen im Bereich der Prostitution auseinander. Porträtiert wird eine Gruppe weiblicher „Sex Worker“ in Kapstadt zwischen Fremd- und Selbstbestimmung.
Der US-Amerikaner Robert Longo hingegen zeigt auf der Unlimited seine atelierfrische, kugelförmige Skulptur „Death Star II“, die aus 40.000 großkalibrigen Patronen besteht. Longo versteht die Arbeit als künstlerische Antwort auf die inflationäre Häufung von Schulhofmassakern und Amokläufen in den USA, die durch laxe Waffengesetze erst ermöglicht wurde.
Die kanadische Galerie Catriona Jeffries aus Vancouver präsentiert an ihrem Stand Dutzende großformatiger Schriftarbeiten von Ron Terada. Der 1969 geborene Kanadier malt banale Überschriften der technologieaffinen Website „The Verge“ in angedeuteter New-York-Times-Optik auf weiße Leinwände. Ob Tweets von Donald Trump oder Instagrams geheime Strategien: Terada überführt das digitale Blabla in etwas scheinbar Dauerhaftes und schafft so ein ironisches Abbild unserer schnelllebigen Zeit.
Besonderes Augenmerk richtet sich in diesem Jahr auch auf solche Künstler, die jahrzehntelang vom Markt übersehen wurden. So zeigt etwa die Berliner Galerie ChertLüdde in der Sektion Feature Collagen und Skulpturen des italienischen Künstlers Franco Mazzucchelli, Jahrgang 1939. Der für seine Mitmachkunst bekannte Mailänder hat nach einer Kunstaktion im toskanischen Volterra im Jahr 1973 Versatzstücke im Stadtraum gezeigter aufblasbarer Skulpturen zusammen mit Schwarz-Weiß-Fotografien und Schriftelementen collagiert – eine schöne Wiederentdeckung für Kenner.
Doch die Art Basel begreift sich keineswegs nur als kommerzieller Umschlagplatz für Objekte, sondern durchaus auch als couragierter Austragungsort für Debatten und Kontroversen, die den internationalen Kunstbetrieb bewegen. Im dicht getakteten Talk-Programm der Messe mit fünf bis sechs Veranstaltungen täglich diskutieren prominente Künstler, Kuratoren, Sammler und Theoretiker in diesem Jahr über heiße Eisen wie den Sexismus im Kunstbetrieb, die Inflation der Biennalen oder die soziale Verantwortung von Künstlern in einer globalisierten Welt.
Auf einen Blick:
Messe: 49. Art Basel
Ort: Messe Basel, Hallen 1 und 2
Zeit: Publikumstage: 14–17 Juni, 11-19 Uhr
Katalog: Art Basel Year 48, 784 S., 70 Euro
Art Unlimited, Verlag Hatje Cantz, 180 S., 77 Abb., 60 Euro
Internet: www.artbasel.com