Der Westfälische Kunstverein und die Kunsthalle Lingen präsentieren jetzt gemeinsam die erste institutionelle Einzelausstellung der belgischen Künstlerin Nel Aerts in Deutschland
Wanderer kommst du in den White Cube. In den sleek gehaltenen Räumen des Westfälischen Kunstvereins in Münster, untergebracht im 2014 von Staab Architekten errichteten Neubau des LWL-Museums, ist zur Zeit unter dem Titel „Haus der Wanderer“ eine Solo-Schau der 1987 im belgischen Turnhout geborenen Künstlerin Nel Aerts zu sehen. Gezeigt werden Gemälde, Papierarbeiten, Sitzmöbel und eine Rauminstallation mit farbigen Wänden und Collagen. Parallel dazu zeigt auch die rund 100 Kilometer weiter nördlich gelegene Kunsthalle Lingen unter dem Titel „Der Schlangenbeschwörer“ sozusagen die Schwester-Ausstellung mit älteren Werken der jungen Belgierin. Beide Ausstellungen sind eng aufeinander abgestimmt. Die Doppelausstellung mit unterschiedlichen Schwerpunkten ist die erste institutionelle Präsentation von Nel Aerts in Deutschland.
Nel Aerts wurde in Gent ausgebildet und lebt heute in Antwerpen. Ihre narrativ aufgeladenen Werke wurden bereits im MUHKA in Antwerpen, vielfach aber auch international gezeigt, unter anderem in Gruppenausstellungen in Oslo, Budapest oder der Schweiz. Viele der in Münster gezeigten Werke stammen aus Privatbesitz.
Rätselhafte, oft an Comicfiguren erinnernde Charaktere blicken den Betrachter an. Da ist etwa die „Kleine Vlaamsche Meid“, eine Mädchenfigur mit roten Wangen, Blondschopf und Blumendekoration. Ein ironisches Selbstporträt der Künstlerin? Selbstreflexionen der Malerin begegnen dem Betrachter immer wieder. Ebenso Zitate aus der Kunstgeschichte.
Die Arbeit „Naakt de trap aflopend“ (2016-19) etwa zeigt in Anspielung auf Vorläuferbilder von Marcel Duchamp und Gerhard Richter, einen nackten weiblichen Akt, eine Treppe hinabsteigend. Querverweise im Malstil und in der Motivwahl zu kunstgeschichtlichen Ikonen lassen sich bei Nel Aerts immer wieder finden: Pablo Picasso, René Magritte, Henri Matisse, Philip Guston, aber auch der Brüsseler Maler Walter Swennen seien hier genannt.
Viele ihrer Gemälde entstehen auf Holz. Sie bestehen aus etlichen übereinanderliegenden Farbschichten, in die sie teilweise hineinritzt. Auffällig ist die Verwendung dekorativer, malerischer Elemente wie Tapeten- oder Textilmustern, Kachelornamentik oder Stoffrapporten. Was auf den ersten Blick folkloristisch oder naiv erscheint, entpuppt sich jedoch bei genauerem Hinsehen als bewusste Setzung. Der Betrachter wird durch die einladende und vermeintlich niedrigschwellige Optik verführt, sich dann doch mit ernsten Dingen wie Einsamkeit, Melancholie, Krankheit oder Existenzangst zu beschäftigen.
In seinem Kabinett zeigt der Westfälische Kunstverein ergänzend zu den Gemälden Collagen und Buntstiftarbeiten auf Papier, auf denen die Belgierin in feiner Manier die Ästhetik und Motivik ihrer großen Bilder wieder aufnimmt. Von der Künstlerin gestaltete Sitzmöbel wie eine stoffbezogene Holzbank und über den Hauptausstellungsraum verteilte kleine Hocker laden zum kontemplativen Verweilen ein. Zu jedem Hocker gehört auch ein an einer Kette befestigtes farbiges Ringbuch, in das Nel Aerts Fundstücke wie Münster-Postkarten, aber auch vor Ort entstandene Polaroids liebevoll eingeklebt hat.
Hinweise auf den teils surrealen, teils selbstreflexiven Kosmos der Künstlerin geben auch die mehrsprachigen Titel der Arbeiten. Da trifft der „Doktersbezoek“ auf „Frau Traurige Pflanze“. In Münster und Lingen kann man sich jetzt davon überzeugen, dass die belgische Newcomerin Nel Aerts auch bei uns längst kein Geheimtipp mehr ist.
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Auf einen Blick:
Ausstellung: Nel Aerts: Haus der Wanderer
Ort: Westfälischer Kunstverein, Münster
Zeit: bis 12. Mai 2019, Di-So 11-19 Uhr, an den Osterfeiertagen geöffnet
Internet: www.westfaelischer-kunstverein.de
Ausstellung: Nel Aerts – Der Schangenbeschwörer
Ort: Kunsthalle Lingen
Zeit: bis 12. Mai 2019, Di-Fr 10-17, Sa und So 11-17 Uhr
Internet: www.kunsthallelingen.de