Das AArtist in Residence-Programm des Auswärtigen Amtes in Zusammenarbeit mit dem Landesverband Berliner Galerien bietet drei Gastkünstlern pro Jahr die Möglichkeit, auf der obersten Etage des Ministeriums neue Ideen und Werke zu entwickeln. Nicole Büsing und Heiko Klaas sprachen mit Andreas Görgen, dem Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation im Auswärtigen Amt
Nicole Büsing und Heiko Klaas: Das AArtist in Residence-Programm des Auswärtigen Amts in Zusammenarbeit mit dem Landesverband Berliner Galerien existiert jetzt seit 2014. Bisher haben zehn Künstler*innen daran teilgenommen. Die drei Künstler*innen für das Jahr 2019 stehen bereits wieder in den Startlöchern. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten?
Andreas Görgen: Auf alle Fälle: Die Künstler*innen haben die Möglichkeit, für jeweils drei Monate in einem der ungewöhnlichsten Ateliers der Welt zu arbeiten und sich dort eine Plattform für die Öffentlichkeit zu schaffen. Sie sind ganz nah am Puls der Außenpolitik und können dies in ihrer Arbeit unmittelbar reflektieren. Das Auswärtige Amt wiederum holt sich mit den Künstler*innen eine andere und oft kritische, kontroverse Sichtweise auf Themen ins Haus, die auch die deutsche Außenpolitik beschäftigen und erhält so neue Impulse für die tägliche Arbeit.
NB & HK: Das Künstleratelier befindet sich ja in einem leerstehenden Raum auf dem Dach des Außenministeriums hinter dem Internationalen Club. Der Blick über Berlin soll grandios sein…
Was darüber hinaus fasziniert die Künstler an dieser Location?
AG: Sicherlich die Chance, einmal für kurze Zeit Einblicke in ein Ministerium zu erhalten, zu dem man ansonsten als Außenstehender nur schwierig Zugang erhält. Und daneben auch die Möglichkeit, sich eine ganz andere, ganz neue Öffentlichkeit zu erschließen. Letztlich ist es aber die tägliche Konfrontation mit den Themen der Außenpolitik, die ja nicht immer einfach verdaulich sind, die den wichtigsten Mehrwert ausmacht – und eine Quelle der Inspiration für die Künstler*innen ist.
NB & HK: Wie gestalten sich konkret die Kontakte zwischen den Gastkünstlern und den Mitarbeitern Ihres Hauses? Wie uns Herr Tammen erzählt hat, gibt es ja regelmäßige Studio Visits, Vernissagen und Finissagen. Kommt es darüber hinaus zu weiteren Begegnungen, etwa in der Kantine, auf der Dachterrasse etc.?
AG: Der Zugang zu Kunst und Kultur darf und soll kein exklusiver sein. Deswegen – und dafür sind wir alle im Auswärtigen Amt dankbar – öffnen viele Stipendiatinnen und Stipendiaten ihr Atelier auch für Kolleg*innen, die aus der Kantine vorbei schauen, auf der Terrasse einen Kaffee trinken oder über die Kulturabteilung Interesse zeigen.
Auch ausländische Besuchergruppen des Ministeriums nehmen immer wieder die Gelegenheit wahr, den Künstler*innen auf dem Dach einen Besuch abzustatten und Fragen zu stellen.
NB & HK: Das Programm scheint für Berliner Ministerien einzigartig zu sein. Oder sind Ihnen ähnliche Aktivitäten aus anderen Ministerien oder Regierungseinrichtungen bekannt? Gibt es vergleichbare Programme in anderen Ländern?
AG: Künstlerresidenzen gibt es natürlich in großer Zahl, nicht nur in Deutschland sondern auch im Ausland. Meines Wissens nach sind wir aber bisher das einzige Ministerium weltweit, das unter seinem Dach ein eigenes Künstleratelier beherbergt. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass alle Außenminister seit 2014 der Kultur einen besonderen Stellenwert in der Außenpolitik zumessen.
NB & HK: Bei der Auswahl der Künstler wird auf die Internationalität der Thematik beziehungsweise der Stipendiaten viel Wert gelegt. Könnten Sie uns ein bis zwei Beispiele von Arbeiten nennen, die diesem Anspruch in besonderer Form gerecht geworden sind?
AG: Zur Auswahl muss ich anmerken, dass das Auswärtige Amt hierauf keinen Einfluss nimmt. Gemeinsam mit dem Landesverband Berliner Galerien haben wir nur festgelegt, dass ein Auslandsbezug Bedingung für eine Bewerbung ist, die Auswahl an sich erfolgt aber durch eine unabhängige Jury.
Alle Künstler*innen, die bei uns auf dem Dach waren, haben ihre eigenen Themen und Projekte mit ins Haus gebracht, die sich unter anderem mit dem Kolonialismus, dem Konflikt im Libanon und dem arabischen Frühling beschäftigt haben. Und dabei haben die Künstler*innen oft dezidiert eine sehr andere Haltung vertreten als die Bundesregierung. Das macht ja gerade den Reiz aus für uns.
NB & HK: Kunst und Außenpolitik: Ihr Ministerium ist gerade dabei, erste Erfahrungen zu sammeln, neue Perspektiven zu entwickeln und die tägliche Routine vielleicht auch einmal durch künstlerische Sichtweisen auf den Prüfstand zu stellen. Gibt es in Ihrem Hause bereits Visionen dafür, das AArtist in Residence-Programm weiter auszubauen, zum Beispiel auch an den wichtigsten Botschaftsstandorten im Ausland?
AG: Im Ausland hat ja das Goethe Institut, zum Teil gemeinsam mit uns, wie in Tarabya, viele Residenzprogramme. Ich finde, die sollten wir weiter unterstützen.
NB & HK: Zum Schluss noch eine kurze Frage zur Außenwirkung des Projekts. Inwiefern ist der Berliner Öffentlichkeit das Projekt bisher bekannt? Wie gestaltet sich der Zugang für Interessierte von außerhalb des Ministeriums?
AG: In der Berliner Kunstszene ist das AArtist in Residence-Programm mittlerweile ein fester Bestandteil geworden. Bereits mehrfach war das Dachatelier Teil der “Langen Nacht der Ideen“, einer Großveranstaltung in Berlin, die an unterschiedlichen Orten auch dem inländischen Publikum die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik näherbringt.
Daneben gibt es regelmäßig Finissagen, Atelierbesuche oder Künstlergespräche, die auf der Website des Auswärtigen Amts www.diplo.de/AArtist-in-residence
und des Landesverbandes Berliner Galerien www.berliner-galerien.de/de/verband-aktuell angekündigt werden.
Wichtig für einen Zutritt zum Dachatelier zu den Veranstaltungen sind lediglich die vorherige Anmeldung und das Mitbringen eines Lichtbildausweises. Wir freuen uns auch weiterhin auf vielzählige Besucher*innen!
NB & HK: Herr Görgen, wir danken Ihnen für das Gespräch.