Kurz vor der Art Basel stand Zürich wieder mal ganz im Zeichen des Zurich Art Weekends. Vom Off-Space bis zur Blue Chip-Galerie Hauser & Wirth waren beim perfekten Sommerwetter alle dabei
Mehr als 80 Ausstellungen an rund 70 Orten, Werke von mehr als 150 Künstler:innen, mehr als 100 öffentliche Veranstaltungen sowie über 20 exklusive Veranstaltungen, welche den VIP-Gästen vorbehalten waren. Wenige Tage vor der Eröffnung der Art Basel – erstmals seit 2019 wieder zum regulären Termin Anfang Juni – bot jetzt das Zurich Art Weekend dem Schweizer Publikum und den zahlreichen aus dem europäischen Ausland und aus Übersee angereisten Besucher:innen die Gelegenheit, sich bei hochsommerlichen Temperaturen zwischen Galerien, Museen, Künstlerateliers, Off-Räumen, Kunststiftungen und Privatsammlungen treiben zu lassen. Von jungen Kurator:innen der Zürcher Hochschule der Künste (ZdhK) geführte Art Walks, Artist Talks, wissenschaftliche Vorträge, Podiumsdiskussionen und Performances rundeten das Programm ab. Epizentrum des seit seiner Gründung 2018 von Charlotte von Stotzingen geleiteten Art Weekends war einmal mehr das Löwenbräu–Areal, der Standort zahlreicher Institutionen und Galerien, darunter etwa die Kunsthalle Zürich, das Migros Museum für Gegenwartskunst oder die Galerien Hauser & Wirth, Francesca Pia und Gregor Staiger.
Mit zwei nie zuvor in der Schweiz in Einzelausstellungen gezeigten farbigen Malern aus den USA und Großbritannien konnte die Galerie Hauser & Wirth aufwarten.
Unter dem Titel „Penumbral Light“ werden dort noch bis zum 20. August neun nahezu atelierfrische Gemälde des 1934 geborenen britischen Künstlers Frank Bowling gezeigt, die 2020 im Anschluss an eine längere Krankheit während des Londoner Lockdowns entstanden sind. Die figurative Malerei hat der in Guyana geborene und im Alter von 19 Jahren nach London gezogene Maler bereits 1971 aufgegeben. Und so sind auch seine neuesten Bilder vielmehr ebenso experimentelle wie grundlegende Untersuchungen darüber, welche erstaunlichen Resultate das Traktieren einer Leinwand mit immer neuen Schichten von Acrylfarbe, metallischen und perlmuttartigen Pigmenten und Unmengen von Wasser haben kann. Bowling, der in einem eher beengten Atelier im Londoner Süden arbeitet, kann seine großen, oft aus mehreren Segmenten zusammengenähten Leinwände beim Malen nur bis zu einer gewissen Höhe an der Wand aufhängen. Den unteren, auf dem Atelierboden liegenden Teil tränkt er immer wieder mit Wasser, so dass Pigmente nach und nach nach oben steigen und letztlich schwer kontrollierbare, zufallsbedingte Effekte erzeugen. Das Resultat sind, gerade im Fall dieser neuen Werkgruppe, außerordentlich dynamische, aus zahlreichen übereinander liegenden Farbschichten bestehende, nahezu aus sich selbst heraus leuchtende Bilder, die sein künstlerisches Wiederaufleben nach der längeren Phase krankheitsbedingter Abwesenheit im Atelier lebhaft zum Ausdruck bringen. Anhaftungen von Materialien auf dem Studioboden, Farbreste und mit dickflüssigem Acrylgel versehene Stellen verleihen den Bildern eine zusätzliche Authentizität und Aufladung.
So ist etwa auf einem der Bilder eine kleine Spinne auf die bemalte Leinwand appliziert worden. Bowling lässt solche Resultate des Zufalls einfach stehen. Irgendeine symbolische oder metaphorische Bedeutung würde er ihnen jedoch niemals unterstellen. Sein Sohn Ben, seines Zeichens Professor für Kriminologie am Londoner King’s College, der seinen nicht nach Zürich gereisten Vater im Rahmen einer ebenso jovialen wie kenntnisreichen Führung bestens vertrat, verriet den Teilnehmer:innen zahlreiche Details zur Entstehung der Werke und zu den künstlerischen Überzeugungen seines Vaters.
Frank Bowling wird während der kommenden Art Cologne mit dem renommierten Wolfgang Hahn-Preis ausgezeichnet. 2019 wurde er in der Tate Britain mit einer großen Retrospektive geehrt. In den im Erdgeschoss gelegen Räumen zeigt Hauser & Wirth parallel zu Frank Bowling Gemälde und Arbeiten auf Papier des US-Künstlers Jack Whitten (1939-2018), die Ende der 1960er Jahre entstanden sind. Die beiden Maler waren bereits damals miteinander befreundet. Frank Bowling unterhält seit 1966 auch ein Atelier in New York. Er war und ist auch in die dortige Kunstszene eingebunden.
Jack Whitten, der in Alabama zur Welt kam, war als Aktivist im Civil Rights Movement tätig, ehe er Anfang der 1960er Jahre nach New York zog, um an der Cooper Union Malerei zu studieren. Seine eher düster-heftig gehaltene Malerei lässt sich als gestische Abstraktion mit gelegentlich eingestreuten, figurativ-surrealen Elementen einordnen. Politische und gesellschaftliche Konflikte seiner Zeit wie der Vietnam-Krieg oder die Ermordung Martin Luther Kings fließen ebenso in seine Malerei mit ein wie seine persönliche Suche nach Identität und einem Platz im überwiegend noch von weißen Protagonisten des Abstrakten Expressionismus beherrschten Kunstbetrieb. Die an TV-Bildschirme erinnernden schwarzen Umrandungen vieler Werke unterstreichen zudem seine Auseinandersetzung mit der Fernsehberichterstattung seiner Zeit. Die jetzt in Zürich gezeigten, teils mit Anspielungen auf (Alb-)Träume und Unbewusstes aufgeladenen Bilder und Arbeiten auf Papier basieren zudem auf seiner intensiven Beschäftigung mit Sigmund Freud und der Psychoanalyse (bis 20. August 2022).
In einer weiteren Niederlassung in der Bahnhofstrasse 1 präsentiert Hauser & Wirth zudem noch die kunsthistorisch interessante Ausstellung „Facing Infinity: Alberto Giacometti & Pablo Picasso“ mit zahlreichen Leihgaben aus privaten Sammlungen. Kurator Dr. Dieter Buchhart zeigt anhand ausgewählter Arbeiten aus dem Spätwerk der beiden Künstler, wie diese mit der Darstellung von Gesicht und Figur experimentierten (bis 27. August 2022). Im Park des Hotels Baur au Lac wiederum ist eine Auswahl von fünf Bronzeskulpturen zu sehen, die von der französischen Künstlerin Camille Henrot stammen (bis 17. Juni 2022).
Doch zurück aufs Löwenbräu-Areal. Im zweiten und dritten Stock des ehemaligen Brauereigebäudes befinden sich die weitläufigen Ausstellungsräume der Kunsthalle Zürich. Deren Direktor Daniel Baumann hat mit Liz Larner (*1960 in Sacramento) eine kalifornische Bildhauerin und Installationskünstlerin eingeladen, deren Werk in der Schweiz zuletzt 1997 in der Kunsthalle Basel in einer großen Einzelausstellung gezeigt wurde. Zeit also, die John Baldessari-Schülerin wieder einmal im größeren Rahmen zu präsentieren. Die Schau mit dem Titel „below above“ versammelt eine Reihe von Arbeiten aus allen Schaffensperioden der Künstlerin. Zunächst im zweiten Stock die Werkgruppen „Meerschaum Drift“ und „Asteroids“ (beide 2020-21). Es handelt sich um eine dystopische Installation aus gesammeltem Plastikmüll, der auf dem Boden des Ausstellungsraumes zu einem ausufernden All-Over arrangiert ist. Allein die eingestreuten Asteroiden, die Larner aus Tonerde geformt hat, senden das Signal aus, dass es da außerhalb unserer heruntergewirtschafteten Erde noch so etwas wie eine unberührte Gegenwelt im Weltall gibt.
Im dritten Stock sind dann insgesamt 18 Arbeiten aus den Jahren 1988 bis 2020 zu sehen, darunter 19 Abgüsse von menschlichen Händen, die an dünnen Metallketten von der Decke herabhängen, die großformatige, aus eher geometrischen Elementen bestehende Skulptur „X“ (2013) und eine kleine, weibliche Figur aus Bronze, die partiell mit der Wand zu verschmelzen scheint. Die angesichts des Ukraine-Krieges hochaktuelle Arbeit trägt den Titel „You might have to live like a refugee“ (2019).
In der Galerie Francesca Pia sind höchst unterschiedliche Arbeiten von drei Künstlern zu sehen. Alvin Baltrop (1948-2004) hat zwischen 1975 und 1986 mit voyeuristischem Blick die versteckten Treffpunkte der New Yorker Schwulenszene an den West Side Piers von Manhattan fotografiert. Die Vintage-Abzüge in Schwarz-Weiß sind erst nach seinem Tod an die Öffentlichkeit gelangt. Von dem US-Künstler Wade Guyton ist das aus zwei wandfüllenden Leinwänden bestehende schwarz-weiße Gemälde „Untitled“ aus dem Jahr 2013 zu sehen. Wie immer bei Guyton handelt es sich hier nicht um manuell ausgeführte Malerei sondern um das Übertragen einer digitalen Datei mittels Drucktechniken auf Leinwand, wobei die technischen Unzulänglichkeiten des Produktionsverfahrens wie Kratzer, Aussetzer, Verschmierungen und Knicke Teil des künstlerischen Konzepts sind. Heimo Zobernig wiederum ist unter anderem mit einer verfremdeten Mannequin-Figur vertreten, die aus den späten 1980er Jahren stammt (bis 23. Juli 2022).
Die Galerie Gregor Staiger zeigt die deutsche Künstlerin Raphaela Vogel (*1988), die zur Zeit auch auf der Hauptausstellung der Biennale Venedig vertreten ist, mit ihrer vielteiligen Installation „My Appropriation of Her Holy Hollowness“. An Aluminiumstangen sind Polyurethanabgüsse von Löwenknochen fixiert. Beschallt wird die surreale Szenerie mit der Melodie von „Gute Nacht“ aus Franz Schuberts „Winterreise“ (bis 23. Juli 2022).
Die Barbara Seiler Galerie präsentiert den niederländischen Künstler Marcel van Eeden (*1965) mit seiner neuesten Serie von Zeichnungen auf Leinwand. Diese trägt den Titel „when the big wackel hug came to town he shouted why is this town brown“. Van Eeden ist bekannt dafür, für seine Zeichnungen ausschließlich Quellenmaterial aus Zeitungen, Magazinen, Büchern und privaten Fotoalben zu benutzen, welches vor seinem Geburtsjahr 1965 entstanden ist. Die neueste Serie ist Zürich gewidmet, der Stadt, in der Van Eeden seit 15 Jahren lebt und arbeitet. Zu sehen sind bekannte Gebäude und Verkehrswege, Menschen bei der Arbeit im Chemielabor oder in der Uhrenindustrie, Schaufenster und historische Werbemotive. Zudem zeigt der Künstler erstmals auch Fotografien, die er im Gummidruckverfahren reproduziert hat, und kleine, ganz in Schwarz gehaltene Bronzeskulpturen, etwa von Hafenkränen und altertümlichen Rundfunkgeräten (bis 27. August 2022).
An den drei Tagen des Zurich Art Weekends fand in den Räumen des Luma Westbau die Performance „Dream Hunters“ des französischen Künstlers Théo Mercier statt. In einem Setting aus Sandskulpturen, das überwiegend Matratzen und scheinbar schlafende Jagdhunde zeigt, konnten die Besucher:innen eine Live-Performance erleben, in der fünf Darsteller:innen vom zehnjährigen Jungen bis zum mittelalten Mann in stark verlangsamten, traumartigen Bewegungen miteinander und mit dem Material interagierten. Im Vordergrund standen Motive des Schlafens, der Wachsamkeit, der inneren Einkehr und der Jagd. Die Installation „OUTREMONDE-Dream Hunters“ ist noch bis zum 4. September 2022 zu sehen. Weitere Performances finden Ende August im Rahmen des Zürcher Theater Spektakels statt.
Zu den teilnehmenden Veranstaltungsorten des Zurich Art Weekends zählten auch Privatsammlungen und private Stiftungen. So etwa die Tichy Ocean Foundation des Zürcher Psychiaters und Sammlers Roman Buxbaum. Hier zu Gast ist der Leipziger Künstler Stefan Vogel (*1981), der unter dem Titel „Wo der gelbe Fleck ist und das Scheitelhaar liegt, da tut es weh“ eine ortsspezifische Installation im Ausstellungsraum im Erdgeschoss der Stiftung präsentiert. Es handelt sich dabei um die vierte Station eines Ausstellungszyklus, der sich mit verschiedenen Zonen des Hauses beschäftigt.
Mittlerweile ist der stark an Materialerforschungen und prozesshaften Vorgängen interessierte Künstler beim Thema Dach angekommen. Den Galerieboden hat er mit den Materialien Dachpappe, Bitumen und Blitzableiterstangen in ein begehbares Flachdach verwandelt. An den Wänden hängen, abgesehen von zwei großen Gemälden, ausschließlich Arbeiten, die direkt vor Ort entstanden sind. Vogel untersucht unterschiedliche Konzepte des Zeichnens. Er stellt aber auch prozesshafte Arbeiten her. So zum Beispiel sind in Plexiglasboxen eingebettete Stoffe zu sehen, die in unterschiedliche Flüssigkeiten, darunter Motoröl oder mit Pigmenten angereichtes Wasser, getaucht sind. Versuchsanordnungen wie diese delegieren das Malen sozusagen an das Material selbst und den gesteuerten Zufall. Werktitel wie „Drauf ziehts drunter“ oder „Ach und ächer“ belegen das Faible des Künstlers für Konkrete Poesie (bis 21. August 2022).
In Kooperation mit der im Zentrum Zürichs gelegenen Wasserkirche zeigt die Tichy Ocean Foundation außerdem noch Stefan Vogels raumfüllende Installation „KOMMEN, ABHÄNGEN“. Aus Dutzenden Wäscheständern hat der Künstler hier eine fast bis unter die Decke gehende, begehbare Installation aufgebaut, die dezidiert auf das Kirchengebäude reagiert. Alle Wäscheständer sind mit in Gips getränkten und ausgehärteten Kleidungsstücken und Zeichnungen behängt. Mit ihren subtilen Anspielungen auf den menschlichen Körper, auf Reinigungs- und Bußrituale fügt sich diese Arbeit perfekt in die Architektur des Kirchenbaus ein (bis 10. Juli 2022).
Zwischen dem Kunsthaus Zürich und dem zentralen Bellevueplatz konzentriert sich in der Rämistraße und der Waldmannstraße bereits seit Jahrzehnten der etabliertere Teil der Zürcher Galerienszene. Mai 36 etwa zeigt hier die Ausstellung „Lawrence Weiner. As Long as it Lasts“, die eine Vielzahl von für die Wand bestimmten Schriftarbeiten, aber auch ausgewählte Editionen des im Dezember 2021 verstorbenen Konzeptkünstlers versammelt. Daneben sind auch zwei Fotoporträts von Robert Mapplethorpe und Albrecht Fuchs, die Lawrence Weiner in verschiedenen Phasen seines Lebens zeigen, im Angebot (bis 13. August 2022).
Bei Tobias Müller Modern Art wiederum sind in einer umfangreichen Schau selten gezeigte Collagen, Papier- und Mixed Media-Arbeiten des insbesondere für seine gestickten Weltkarten bekannten italienischen Arte Povera-Künstlers Alighiero Boetti (1940-1994) zu sehen, die den Blick auf eine eher unbekannte Seite seines Werkes richten (bis 27. August 2022).
Die Galerie Peter Kilchmann zeigt an ihrem Standort in der Rämistraße Malerei, Papierarbeiten und Skulpturen des griechischen Künstlers Vlassis Caniaris (1928-2011), darunter eine Figur aus seiner Serie „Immigrant“ (1971-76), die einen typischen Exilanten darstellt. Außerdem zu sehen: farbintensive Gemälde des jungen kalifornischen Künstlers Raffi Kalenderian (*1981). Die unter anderem von Songs der Postpunk-Band Fontaines D.C. inspirierten Bilder schlagen einen visuellen Spannungsbogen von der Porträtmalerei des Schweizer Malers Félix Vallotton (1865-1925) in das späthippieske Soziotop des Künstlers im zeitgenössischen Kalifornien (beide Ausstellungen bis 29. Juli 2022).
Bei Eva Presenhuber in der Waldmannstraße ist eine Gruppenschau unter dem Titel „Earthing“ zu sehen. Titel und Idee stammen von dem in der Galerie vertretenen Künstler Ugo Rondinone (*1964), der in einer Ausstellung aktuelle Arbeiten von Künstlern der Galerie versammeln wollte, die sich mit Naturelementen und natürlichen Energien beschäftigen. Mit dabei sind etwa die US-Malerinnen Shara Hughes und Karen Kilimnik sowie Doug Aitken mit einem Leuchtkasten. Josh Smith zeigt kleine Keramikskulpturen und Gemälde, und von Rondinone selbst stammt eine Reihe von Shaped Canvases mit Wolkendarstellungen sowie ein sitzender weiblicher Akt aus Wachs, koloriert mit Erdpigmenten (bis 30. Juli 2022).
Die Galerien Eva Presenhuber und Peter Kilchmann sind jedoch nicht nur im Viertel unterhalb des Kunsthauses ansässig sondern auch in der Zahnradstraße im hippen Zürcher Westen. Das ehemals von Industrie und Speditionen geprägte Maag-Areal ist seit einigen Jahren ein beliebter Standort für Galerien und Kultureinrichtungen. Eva Presenhuber präsentiert hier unter dem Ausstellungstitel „Airports and Cars“ Arbeiten aus der berühmten Airport-Serie des Schweizer Künstlerduos Fischli (*1952) Weiss (1946-2012). Von 1987 bis zum Tod von David Weiss haben die beiden Künstler an der Airport-Serie gearbeitet. Es handelt sich um eines der ikonischsten Großprojekte der künstlerischen Fotografie, das durchaus mit ähnlich umfangreichen Werkgruppen von Bernd und Hilla Becher, Ed Ruscha oder Dan Graham verglichen werden kann. Fischli Weiss zeigen die menschenleeren Rollfelder Flughäfen als geisterhafte Nicht-Orte zwischen Fernweh und der Banalität des Massentourismus. Die Serie „Cars“ wiederum beleuchtet einen anderen Aspekt der Mobilität. Sie besteht aus verkleinerten Gips-Skulpturen prototypischer, jedoch nicht spezifischer PKW-Modelle der 1990er Jahre, die ganz in Weiß gehalten sind (bis 30. Juli 2022).
Bei Peter Kilchmann ist eine Solo-Schau der mexikanischen Künstlerin Teresa Margolles (*1963) zu sehen. Eigentlich bekannt dafür, sich in ihren ebenso drastischen wie andachtsvollen Arbeiten mit dem gewaltsamen Tod von Menschen zu beschäftigen, widmet sich Margolles in dieser Ausstellung, die den Titel „Estorbo“ trägt, ganz den Themen Migration und prekäre Beschäftigung. In einer Videoarbeit zeigt sie, wie venezolanische Flüchtlinge über eine Grenzbrücke ihr Land verlassen, um jenseits der Grenze in Kolumbien ein besseres Leben anzufangen. Für die titelgebende Arbeit „Estorbo“ (Hindernis, Störung) porträtierte sie über 180 venezolanische Männer, die als Lastenträger arbeiten. Ihre vom Schweiß der Arbeit getränkten T-Shirts erhielt Teresa Margolles im Tausch gegen dringend benötigte andere Bedarfsgüter. Sie goss die T-Shirts dann in quaderförmige Betonkuben ein, die anschließend mit den Initialen der Porträtierten versehen wurden und jetzt auf dem Boden des Ausstellungsraumes in Reihen aufgestellt wurden. Insofern konserviert die Arbeit die Erinnerung an das namenlose Heer von Tagelöhnern an der kolumbianisch-venezolanischen Grenze.
Das Zurich Art Weekend setzte einmal mehr auf die Vernetzung der unterschiedlichsten Orte und Szenen innerhalb des sehr breit aufgestellten Zürcher Kunstbetriebs. Wer möglichst viel qualitätsvolle Kunst schauen wollte, hatte auch am Ende des Wochenendes noch zahlreiche Orte auf seiner To-Do-Liste stehen. Und wer stärker an inhaltlichen Auseinandersetzungen und Diskussionen interessiert war, war konnte etwa an einer halbtägigen Konferenz über NFTs und das Metaverse im Kunsthaus Zürich teilnehmen, an der ETH Zürich wissenschaftlichen Vorträgen und Panel-Diskussionen über Künstliche Intelligenz beiwohnen oder aber im Schwarzen Café auf dem Löwenbräu-Areal an einem Talk mit der auf Instagram äußerst erfolgreichen amerikanischen Art-Bloggerin Jerry Gogosian aka Hilde Lynn Helphenstein über den Tod des Kunstkritikers und neue Role-Models teilnehmen.
In jedem Fall ist es Charlotte von Stotzingen und ihrem Team auch in diesem Jahr wieder eindrucksvoll gelungen, das Zurich Art Weekend zu einer festen Größe für alle Kunstinteressierten von der Kunststudentin bis zum Top-Sammler zu etablieren. Am Sonntagnachmittag ließen sich dann auch noch etliche am Zürcher Flughafen frisch eingetroffene internationale Sammler:innen mit schwarzen Limousinen zu den Galerien chauffieren, um einen ersten Vorgeschmack auf die Art Basel zu bekommen oder bereits die ein oder andere Arbeit zu erwerben.
Nächster Termin 9.-11.6.2023 und 7.-9.6.2024