Die sechste Ausgabe der Art Düsseldorf offeriert Sammler:innen aus Deutschland und dem benachbarten Ausland einmal mehr ein ausgewogenen Angebot an moderner und zeitgenössischer Kunst
Zum sechsten Mal lockt derzeit die Art Düsseldorf Sammler:innen, Kurator:innen und Kunstinteressierte in die schmuck restaurierten Hallen des Areal Böhler ganz im Nordwesten der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. Die etwas abgelegene Lage tat dem Publikumsandrang zumindest am Vernissagetag keinen Abbruch. Zahlreich strömten Messebesucher:innen von der nahegelegenen Straßenbahnhaltestelle auf das Gelände oder steuerten mit ihren eigenen Fahrzeugen einen Parkplatz an. Zumindest die rheinländische Kunstszene ist zahlreich vertreten, wenn auch einige Kölner der Messe prinzipiell fernbleiben. Ob allerdings, wie Messedirektor Walter Gehlen es auf der Pressekonferenz andeutete, auch tatsächlich eine nennenswerte Zahl von Sammler:innen aus Übersee einen Zwischenstopp in Düsseldorf einlegt, bevor es dann nächste Woche auf die Eröffnung der Biennale Venedig geht, sei dahingestellt. Am ersten Messetag war vorwiegend Deutsch zu hören.
105 Galerien, darunter 40 internationale Aussteller, präsentieren sich in den beiden Hallen, die mit ihren Bezeichnungen „Kaltstahlhalle“ und „Alte Schmiedehalle“ die Erinnerung an die industrielle Vergangenheit des Geländes wachhalten. Gegenüber dem Vorjahr stieg die Zahl der Aussteller damit um zehn. Ergänzt werden die Messestände um neun über die Hallen verteilte sogenannte „Skulpturenplätze“, auf denen insgesamt 14 skulpturale Arbeiten und Installationen präsentiert werden.
Die Messe teilt sich in die vier Sektionen Main, Joint, Next und Solo Projects auf. Auch zahlreiche Kunstvereine und Museen aus dem Rheinland und dem Ruhrgebiet sind mit eigenen Ständen vertreten. Messedirektor Walter Gehlen freut sich, auf der Art Düsseldorf eine stattliche Anzahl an Solo-Projects versammelt zu haben: „Es ist für die Galerien riskant, auf ein Pferd zu setzen, aber für das Messebild ist es gut und führt zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit den Künstler:innen“, so Gehlen über die Einzelpräsentationen.
Für eine Solo-Präsentation hat sich beispielsweise auch die Münchner Galerie Sperling entschieden. Am Stand zu sehen sind Arbeiten der 1981 geborenen Künstlerin Anna Vogel, die in Düsseldorf und Tirol lebt. Ausgehend von eigenen oder im Netz gefundenen Fotografien, generiert die bei Thomas Ruff, Christopher Williams und Andreas Gursky ausgebildete Künstlerin in einem kontrollierten Prozess abstrakte Bildoberflächen, indem sie analoge und digitale Verfahren miteinander kombiniert. Durch die digitale Retusche einzelner Bildelemente aus den Vorlagen entstehen abstrakt anmutende Werke. So zum Beispiel im Falle der Arbeit „Ignifer XXVII“ (2022), die eine orangefarbene Wolke vor sepiafarbenen Rauschschwaden und einigen Baumwipfeln zeigt. Ursprünglich zu sehen war hier noch ein Löschflugzeug bei der Waldbrandbekämpfung. Andere Bilder von Anna Vogel erinnern an Eisberge, Landschaften oder Monsterwellen, wie sie bereits der Meister des japanischen Farbholzschnitts Hokusai im frühen 19. Jahrhundert dargestellt hat (Arbeiten zwischen 2.900 und 7.000 Euro).
Einer ganz anderen Methode der Bildverfremdung bedient sich der 1986 geborene niederländische Künstler Lennart Lahuis, der von der in Den Haag ansässigen Galerie Dürst Britt & Mayhew vertreten wird. Der in Brüssel lebende Lahuis ist zur Zeit auch in der Ausstellung „Earth Fire Water Air“ im Museum Schloss Moyland am Niederrhein zu sehen. Dort kombiniert er eigene Werke mit ausgewählten Arbeiten aus der ganz auf Joseph Beuys spezialisierten Museumssammlung. In Düsseldorf zu sehen sind unter anderem in Plexiglasrahmen präsentierte Schwarz-Weiß-Fotografien, die der Künstler auf kapitalismuskritischen Demonstrationen in Brüssel gemacht hat. In einem anschließenden Verfremdungsprozess hat er die Aufnahmen partienweise einer Flamme ausgesetzt. Dadurch entstehen äußerst fragile, puzzleartige und teilweise von Asche überzogene Oberflächen, die zu einem gewissen Grad der Abstraktion führen und so den besonderen Reiz dieser Arbeiten ausmachen (Arbeiten für 2.000 Euro, Auflage 2 + 1 AP und 5.000 Euro, Auflage 2 + 1 AP).
Am Stand der Düsseldorfer Galerie Sies + Höke wiederum sind Werke der vielversprechenden Newcomer Hedda Roman zu sehen. Das Künstlerduo setzt sich aus den beiden Absolventen der Düsseldorfer Akademie Hedda Schattanik, Jahrgang 1992, und Roman Szczesny, Jahrgang 1987, zusammen, die seit 2022 unter diesem Namen firmieren. Bei Sies + Höke sind kleinformatige Inkjetprints aus deren Serie „The longest possible game“ zu sehen. Das Künstlerduo bedient sich einer eigens trainierten KI, die aus Elementen der Kunstgeschichte neue surreal anmutende Bildwelten zwischen Renaissance, Romantik, Historismus und Science Fiction generiert. Das besondere Markenzeichen von Hedda Roman sind auf den Bildträger aufmontierte 3D-Griffe, die das Motiv der menschlichen Hand aufnehmen. Das Künstlerduo ist auch in der Gruppenausstellung „Forthcoming. Spekulationen im urbanen Raum“ im Haus K21 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zu sehen, die gleichzeitig mit der Messe eröffnet wurde (Unikate ab 2.100 Euro)
In der Sektion Joint haben sich die Galerien Krobath Wien und Karin Günther aus Hamburg zusammengetan. Während Karin Günther unter anderem Textbilder des Berliner Künstlers Stefan Marx, Jahrgang 1979, zeigt, setzen Helga und Peter Krobath ganz auf Frauenpower. Am Stand zu sehen sind Arbeiten der Künstlerinnen Elisa Alberti, Anna Meyer, Esther Stocker und Sophia Süssmilch. Angesichts eines Residenzaufenthaltes im Dessauer Bauhaus hat sich die 1964 geborene, in Wien lebende Schweizerin Anna Meyer malerisch mit der Tatsache auseinandergesetzt, dass den am Bauhaus tätigen Frauen die Aufmerksamkeit und Anerkennung, die sie eigentlich verdient hätten, durch die Dominanz der männlichen Bauhauskünstler verweigert wurde. Die ikonischen Bauhausbauten verschmilzt und bevölkert sie auf ihren Gemälden mit weiblichen Figuren. Der berühmte Bauhausschriftzug mutiert bei Anna Meyer zu „Frauhaus“. Doch die Zustände scheinen sich auch in Dessau gebessert zu haben. Die Einzelausstellung der Künstlerin mit dem Titel „Anna Meyer. Planet B House“ ist noch bis zum 8. Dezember zu sehen. Und zwar im Bauhaus Dessau.
Für die Düsseldorfer Galerie Konrad Fischer ist die Teilnahme an der Art Düsseldorf eine Selbstverständlichkeit. Der Galeriestandort befindet sich nur wenige Kilometer vom Areal Böhler entfernt. Galeriedirektor Thomas W. Rieger: „Wir sind ja direkt vor der Haustür.“ Im Gegensatz zur teuren Art Basel, auf der die Galerie auch vertreten ist, könne man hier auch mal einen Riesenstand machen und jüngere Positionen in großer Bandbreite zeigen. Neu bei Konrad Fischer ist die amerikanische Malerin Xylor Jane. Deren am Stand präsentiertes Gemälde „The Secrets of Family Happiness“ von 2023 besticht durch einen akribisch-meditativen Pinselauftrag und eine streng geometrische Kästchenoptik mit systematischem Zahlenraster, das an ein in Auflösung befindliches Sudoko-Rätsel erinnert. Die 1963 geborene Xylor Jane perfektionierte ihren millimetergenauen, zeitintensiven Malstil in intensiven Farben während der Covid-19-Pandemie.
Zur ersten Mal nimmt auch der auf Fotografie spezialisierte Berliner Galerist Robert Morat an der Art Düsseldorf teil. Mit im Gepäck hat er unter anderem kleinformatige, unikatäre Collagen der 1975 geborenen britischen Künstlerin Hannah Hughes, die an der Schnittstelle von Fotografie, Collage und Skulptur arbeitet. Zunächst lichtet die Künstlerin unterschiedlichste Oberflächen wie Kieselsteine, menschliche Haut, Ton, Hochglanzpapiere oder Kartonagen ab. Im nächsten Arbeitsschritt beschneidet und rekombiniert sie diese Aufnahmen zu skulptural anmutenden Ensembles, welche durch kalkuliert gesetzte Schattenwürfe eine dreidimensionale Wirkung entfalten (Unikate zwischen 1.900 und 4.000 Euro). Bereits am Vernissagetag zeigte sich Robert Morat überaus zufrieden, was Verkäufe und Interesse des Düsseldorfer Publikums für aktuelle fotografische Positionen betrifft.
Ein Eyecatcher am Stand des Düsseldorfer Galeristen Rupert Pfab ist das großformatige abstrakte Gemälde „Shadow“ von Laura Aberham, Jahrgang 1994, aus dem Jahr 2023. Die Düsseldorfer Malerin, eine Meisterschülerin von Ellen Gallagher, verweigert jegliche Repräsentation auf ihren Gemälden und setzt mit ihrem dynamischen Pinselstrich ganz auf die Interaktion der Farben. So auch auf dem beeindruckend großen 200 x 170 cm messenden Großformat in Grün-, Gelb und Schwarztönen, das für 10.000 Euro im Angebot ist.
Die ebenfalls in Düsseldorf ansässige Galerie Van Horn hat eine ganz besondere Aufnahme des auf Künstlerporträts spezialisierten Kölner Fotografen Albrecht Fuchs im Angebot. Die Fotografie aus dem Jahr 2004 zeigt den legendären kalifornischen Konzeptkünstler John Baldessari, wie er entspannt auf seinem etwas ausgeleierten Ateliersofa liegt, über ihm ein gut bestücktes Bücherregal. Wer diese ikonische Aufnahme der 2020 verstorbenen Künstlerlegende erwerben möchte, sollte sich beeilen: Der letzte noch verfügbare Abzug der 3er-Auflage kostet 7.140 Euro.
Außerdem am Stand: eine Bodenskulptur des Düsseldorfer Bildhauers Stefan Wissel. Die Arbeit mit dem Titel „Rechaud“ (2004) kommt als mehr als drei Meter langer Kunststoff-Abguss eines Baumstamms daher, dessen Oberfläche mit hochglänzendem schwarzen Autolack verfeinert wurde. Das dermaßen luxuriös inszenierte Objekt hat allerdings nur eine ganz simple Funktion. Eine kreisrunde Aussparung am Ende dient als Halterung für ein handelsübliches Teelicht. Wer mehr von Stefan Wissels mit viel Ironie und autobiografischen Bezügen aufgeladener Konzeptkunst sehen möchte, ist in den Galerieräumen von Van Horn im Düsseldorfer Stadtteil Flingern an der richtigen Adresse. Unter dem Titel „Painkiller“ ist hier noch bis zum 11. Mai eine Einzelausstellung des Künstlers zu sehen.
In diesem Jahr liegen die Standmieten auf der Art Düsseldorf „im weltweiten Vergleich im oberen Mittelfeld“, wie Walter Gehlen versichert. Einige Galeristen bezweifeln daher, ob sich eine Teilnahme auch im nächsten Jahr für sie wirtschaftlich lohnen wird. Vorbei sind nämlich die Zeiten direkt nach der Pandemie, als die Standmieten noch vom Bund im Rahmen des Rettungsprogramms Neustart Kultur subventioniert wurden und somit die Teilnahme an der Messe für die Galerien erleichtert wurde. Dennoch haben sich in diesem Jahr drei Mal mehr Galerien für die Art Düsseldorf beworben, als Plätze zur Verfügung standen. Die Attraktivität des Kunstmarktstandortes Düsseldorf allgemein dürfte dazu ebenso beigetragen haben wie die hellen, lichtdurchfluteten Hallen des Areal Böhler. Im Gegensatz zum eher als steril empfundenen Kölner Messegelände wird der postindustrielle Charme des 1915 eröffneten ehemaligen Stahlwerks sowohl von Aussteller:innen als auch von Besucher:innen sehr geschätzt.
Auf einen Blick:
Messe: Art Düsseldorf, 6. Ausgabe
Ort: Areal Böhler, Hansaallee 321, 40549 Düsseldorf
Zeit: 12.-14. April 2024, 12. April: 12-19 Uhr, 13. April: 11-19 Uhr, 14. April: 11-18 Uhr
Internet: www.art-dus.de