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Junge Blicke auf einen alten Kontinent

02.03.17  Von Nicole Buesing und Heiko Klaas


Alle haben plötzlich die Absicht, eine Mauer zu errichten: In der Ausstellung „Shifting Boundaries“ anlässlich des „European Photo Exhibition Award 03“ in den Hamburger Deichtorhallen werfen zwölf junge Fotografen einen ernüchternden Blick auf gesellschaftlich relevante Konflikte in Europa. Im Zentrum der sehenswerten Schau steht vor allem das Erstarken nationaler Egoismen

 

Blick in die Ausstellung, Foto: Heiko Klaas

 

Grenzen, so glaubte man lange Zeit in Europa, seien spätestens mit dem Fall der Mauer und dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes zu einem Relikt rückwärtsgewandter, noch primär nationalstaatlich organisierter Epochen geworden. Doch schon 1991 mit dem ersten Jugoslawienkrieg wurden Optimisten eines Besseren belehrt. Die heutigen Verhältnisse in Ungarn und Polen, aber auch die überwältigende Zustimmung für den Brexit zeigen auf erschreckende Art und Weise, dass es in Europa offenbar gerade wieder en vogue ist, sich im Namen der eigenen nationalen Identität abzukapseln, ja sogar mit neuen Zäunen zu umgeben.

 

Blick in die Ausstellung, Foto: Heiko Klaas

 

Die Ausstellung „Shifting Boundaries“ mit zwölf herausragenden jungen Fotografinnen und Fotografen aus neun europäischen Ländern, die jetzt im Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen ist, stellt sich diesen und anderen virulenten Konflikten. Die Schau findet im Rahmen des „European Photo Exhibition Award 03“ (EPEA) statt, einem Gemeinschaftsprojekt der Hamburger Körber-Stiftung mit Stiftungen in Italien, Portugal und Norwegen. Die Ausstellung war zuvor bereits in Paris und Lucca zu sehen. Die letzte Station wird Oslo sein.

 

Ziel des Projektes ist es, junge europäische Fotografen dazu zu animieren, gesellschaftlich relevante Themen in künstlerische Projekte umzusetzen, die über die bildjournalistische Tagesaktualität hinausweisen. Etlichen der Teilnehmer ist das auf eindrucksvolle Art und Weise gelungen.

 

Pierfrancesco Celada. Hinterland, 2015. © Pierfrancesco Celada

 

Vier internationale Kuratoren haben jeweils drei Künstler nominiert und diese bei der Erarbeitung ihrer Beiträge begleitet und unterstützt. Für die Auswahl der deutschsprachigen Teilnehmer war Ingo Taubhorn, der Kurator des Hauses der Photographie, verantwortlich. Erlaubt waren ausdrücklich auch Präsentations-formen, die über die rein fotografische Umsetzung des Themas hinausgehen. Daher sind in der Schau auch Filme, Videos, Soundarbeiten, skulpturale Arbeiten und Installationen zu sehen.

Blick in die Ausstellung, Foto: Heiko Klaas

 

So präsentiert etwa die 1976 geborene Wienerin Christina Werner eine multimediale Installation, in deren Zentrum eine kurze Videosequenz steht, die den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders während einer auf Deutsch gehaltenen Rede in der Wiener Hofburg zeigt. In reduzierter Schwarz-Weiß-Ästhetik zu sehen ist Wilders, dessen schneidende Stimme durch die ganze Ausstellungshalle schallt, aber nur von den Knien abwärts. Werner setzt immer wieder auf Momente der Verdichtung und Reduktion, wenn sie sich den Inszenierungsstrategien rechter Gruppierungen nähert. Gleich sechs Fotografien von Flaggen der völkisch orientierten identitären Bewegung schichtet sie in der Collage „Identitarian Movement“ übereinander. Ingo Taubhorn dazu: „Durch den Akt des Wiederholens, der sich nicht nur in den Collagen, sondern auch in dem Plakat und in den Videoloops manifestiert, verdichtet Werner für sich die These, dass sich Geschichte immer wiederholt.“

Christina Werner: „The Boys Are Back“, 2015/2016, Foto: Heiko Klaas

 

Der Hamburger Robin Hinsch, Jahrgang 1987, wiederum hat die Ostukraine bereist und dort auf beiden Seiten des militärisch ausgetragenen Konfliktes fotografiert. Auch seine Aufnahmen gehen weit über die bildjournalistische Ebene hinaus. In „entsättigten“ Farben, die er als visuelles Äquivalent für verblassende Erinnerungen an friedlichere Zeiten auffasst, zeigt Hinsch ein erbittert umkämpftes Niemandsland voller zerbombter Häuser, zerschossener Panzer, verängstigter Zivilisten und desillusionierter junger Soldaten.

 

Robin Hinsch. Kowitsch. 2015. © Robin Hinsch

 

Die Italienerin Arianna Arcara zeigt Aufnahmen von der 180 Kilometer langen Waffenstillstandslinie auf Zypern, die Ungarin Ildikó Péter verdichtet Bilder vom 170 Kilometer langen Stacheldrahtzaun zwischen Ungarn und Serbien zu einem filmischen Lamento über den Verlust von Freizügigkeit, und die Französin Marie Sommer sucht in Kumrovec, dem Geburtsort von Marschall Tito, eine verfallene Bibliothek auf, die im früheren Jugoslawien zu einem nationalen Schulungszentrum für Funktionäre gehörte. Deren chaotischer Zustand spiegelt die aktuelle Lage der ganzen Region wider. Daneben versammelt die Schau ein Spektrum weiterer Positionen, die auch andere gesellschaftliche Fragestellungen in den Fokus nehmen. So untersucht der Brite Dominic Hawgood, geboren 1980, die Grenzen zwischen dem Virtuellen und dem Realen, indem er mit computergenerierten, bewegten Bildern, die Wirkung bewusstseinserweiternder pflanzlicher Drogen visualisiert.

 

Arianna Arcara erläutert ihre Arbeit, Foto: Heiko Klaas

 

Die Dänin Marie Hald, Jahrgang 1987, rückt die Auswüchse der Magersucht, eines von Modeindustrie, Supermodels, Fashion-Magazinen und sozialen Netzwerken mitverursachten Phänomens, in den Fokus ihrer dokumentarischen Beobachtungen. Hald verbrachte einen ganzen Sommer in einer polnischen Klinik für junge Frauen, die an Bulimie und Anorexie erkrankt sind. Ihre sensiblen Aufnahmen lassen erahnen, dass Hald tief in das Leben der Porträtierten eingetaucht ist und deren Vertrauen erworben hat. „Während überall auf der Welt Kriege stattfinden“, so die Fotografin, „ist eine große Gruppe sehr junger Menschen in einen ganz anderen Kampf, einen Kampf gegen sich selbst, verwickelt.“ Wie es für diese Teenager ist, zurück in ihr eigenes Leben zu finden, das habe sie mit ihren Bildern zeigen wollen.

Marie Hald. The Girls from Malawa, 2015. © Marie Hald

 

Die Ausstellung stimmt nicht gerade optimistisch, was die zukünftige Entwicklung in einem wieder verstärkt auf Grenzziehungen und nationale Egoismen setzenden Europa angeht. Doch sie zeigt auch, dass es vielen jungen Fotokünstlern offenbar nicht gleichgültig ist, was zur Zeit passiert, und sie inhaltlich und formal dazu in der Lage sind, den Status quo des alten Kontinents in nachdenklich stimmende Bilder umzusetzen.

 

Robin Hinsch. Kowitsch. 2015. © Robin Hinsch

 

Auf einen Blick:

 

Ausstellung: Shifting Boundaries. European Photo Exhibition Award 03

 

Ort: Deichtorhallen Hamburg, Haus der Photographie

 

Zeit: 3. März bis 1. Mai 2017. Di-So 11-18 Uhr. Jeden 1. Do im Monat 11-21 Uhr

 

Katalog: 192 S., 134 Abb., in englischer Sprache mit deutschsprachigem Beiheft, 20 Euro

 

Internet: www.deichtorhallen.de

www.epeaphoto.org

DeichtorhallenEuropaEuropean Photo Exibition Award 03HamburgHaus der PhotographieIngo TaubhornKörber-StiftungShifting Boundaries
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Nicole Buesing und Heiko Klaas
Nicole Büsing und Heiko Klaas sind seit 1997 als freie Kunstjournalisten und Kritiker für zahlreiche Magazine, Tageszeitungen und Online-Magazine tätig. Daneben schreiben sie auch Katalogbeiträge. Sie leben in Hamburg und Berlin. Regelmäßige Veröffentlichungen über Kunst und Kunstmarkt z.B. in Kunstmarkt.com, Monopol, Artmapp, Hatjecantz.de, Artist Kunstmagazin, Artline, Spiegel online, DARE, Kultur & Gespenster, Photonews, Kunsttermine, Zeitkunst, Künstler-Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Next Level, Art, Die Welt, Der Tagesspiegel, www.artlog.net, diverse regionale Tageszeitungen wie Kieler Nachrichten, Weser-Kurier, Neue Osnabrücker Zeitung, Saarbrücker Zeitung, Südkurier, Nürnberger Nachrichten, Flensburger Tageblatt, Freie Presse, etc. klaas.buesing@gmail.com




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