Die perfekte Ergänzung zur Art Cologne: Die Art Düsseldorf hat sich als wichtige, regionale Messe für zeitgenössische Kunst etabliert. Händler loben besonders das kennerhafte Publikum
Am vergangenen Sonntag ging die fünfte Ausgabe der rheinischen Kunstmesse Art Düsseldorf zu Ende. Sie verzeichnete rund 20.000 Besucher:innen. Die Messe findet etwas abseits vom Düsseldorfer Zentrum auf dem Areal Böhler in den tageslichtdurchfluteten Hallen eines ehemaligen Stahlwerks statt. Die behutsam renovierten Sheddach-Hallen wurden 1914/15 errichtet.
Die auf zeitgenössische Kunst aller Sparten spezialisierte Art Düsseldorf versteht sich als „eine führende Plattform für neue Talente und vielfältige Perspektiven“. Wie bereits in den Vorjahren setzte die Messe auch dieses Jahr wieder stark auf Digitalität. Es gab einen Live-Stream-Service und einen Onlineshop, die es auch Besucher:innen, die nicht anreisen konnten, ermöglichen, die Angebote der Messe wahrzunehmen.
95 Galerien sind nach Düsseldorf gereist, darunter 35 Neuzugänge. Die Fluktuation ist also ungewöhnlich hoch. Naturgemäß ist das Rheinland mit insgesamt 29 Galerien besonders stark vertreten, nur noch übertroffen von Berlin mit 30 angereisten Galerien. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Österreich. Internationale Galerien kamen unter anderem aus London, Madrid, Lissabon, Kopenhagen, New York, Istanbul, Kolkata und Buenos Aires.
Der Mäzenatenkreis „Freunde des Kunstpalastes“ ging noch vor der Eröffnung über die Messe, um über Ankäufe für das Düsseldorfer Museum zu entscheiden. Fündig wurden sie unter anderem bei der Wiener Galerie Krobath. Hier erwarben sie Werke der in Berlin lebenden Malerin und Performance-Künstlerin Sophia Süßmilch, Jahrgang 1983. Die frechen, ironischen Gemälde mit Anklängen an Surrealismus, Folk- und Outsider Art bezeichnet ihr ehemaliger Lehrer Stephan Huber als „Psycholandschaften“. „Sophia Süßmilch ist genderaffin und politisch unkorrekt, unideologisch und feministisch, platt und heroisch, geschmacklos und bezaubernd, Biene Maja und Poison Ivy“, so Huber in einem Katalogbeitrag. Gemälde in verschiedenen Formaten kosten zwischen 2.000 und 7.000 Euro.
Außerdem am Stand von Krobath: elegante Collagen der ebenfalls in Berlin lebenden Katja Strunz, Jahrgang 1970. Sie bestehen aus gefalteten Fragmenten, die die Künstlerin in gebrauchten Büchern und Bildbänden findet. Vielfach finden sich Bezüge zur Klassischen Moderne und schwarz-weißer Landschafts- und Wolkenfotografie. Katja Strunz dazu: „Die Collagen sind eigenständige Arbeiten und manchmal auch Vorskizzen oder Grundlage für mein skulpturales Werk. Ich arbeite mit Dreiecken, Splittern oder Fragmenten, die sich wie zufällig zusammenfinden.“ (Collagen: 4.000-5.000 Euro).
Krobath teilten sich einen der sechs unter dem Label „Shared Booth“ firmierenden Gemeinschaftsstände auf der Messe mit der Hamburger Galerie Karin Günther. Diese zeigte neben Stefan Marx, Edith Dekyndt und Markus Amm auch den Hamburger Maler Michael Bauch, Jahrgang 1951, mit atelierfrischen Arbeiten. Seine neuesten abstrakten Gemälde und Stoffbilder sind ebenso simpel wie faszinierend. Durch geschickte Drehung des Pinsels entstehen quasi aus dem Handgelenk unzählige übereinander gelegte Farbkreise. Dynamisiert werden die Bilder durch präzise gesetzte Auslassungen, die die teils leuchtenden, monochromen farbigen Stoffuntergründe zum Vorschein kommen lassen (8.000-9.500 Euro).
Einen weiteren Gemeinschaftsstand teilten sich die beiden Berliner Galerien PSM und Klemm’s. Sie zeigten eine Duo-Präsentation mit den Künstlern Alexej Meschtschanow (Klemm’s) und Ariel Reichman (PSM) unter dem Titel „I Am (Not) Safe“. Dieser korrespondiert mit einer interaktiven Lichtskulptur von Ariel Reichman, die über dem Eingang des Standes platziert war.
Der 1973 in Kiew geborene ukrainische Künstler Alexej Meschtschanow hat 2008 seinen Meisterschülerabschluss bei Timm Rautert an der HGB Leipzig gemacht. Er ist sowohl mit skulpturalen Arbeiten als auch mit Wandobjekten am Stand vertreten. Seine Werkgruppe aus der „Glass Crash-Serie“ besteht aus Found Footage-Fotografien hinter dickem Glas, die er mit industriell anmutenden Fixierungen aus Stahl und Verschraubungen so stark unter Spannung setzt, dass das Glas an bestimmten Stellen springt. Er selbst sagt dazu: „Meine mechanischen Halterungen sind nicht bösartiger Natur, sondern in erster Linie als Maßnahmen der Nobilitierung gedacht. Sicherlich müssen die Objekte unter der zusätzlichen Belastung leiden, aber am Ende sind es meine eisernen Anfügungen, die sie dem Zahn der Zeit entreißen.“ Die Arbeiten von Alexej Meschtschanow kosten zwischen 9.000 und 13.000 Euro.
PSM-Galeristin Sabine Schmidt zeigte den 1979 geborenen in Berlin lebenden israelischen Künstler Ariel Reichman, der in der Klasse von Hito Steyerl studiert hat. Reichman war unter anderem mit Bleistiftzeichnungen aus seiner Serie „This is worse (Pre/Post Desasters of War)“ vertreten, die in Anlehnung an Francisco de Goyas berühmte Grafikserie „Desastres de la Guerra“ entstanden sind. Doch während bei Goya die gemarterte Kreatur im Vordergrund steht, beschränkt sich Reichman ganz auf die landschaftlichen Hintergründe. Außerdem am Stand: das Gemälde „War of exaustion“ aus dem Jahr 2021. Ausgehend von einer Ehrennadel des israelischen Militärs erweitert er den darauf verwendeten Farbcode zu einer großformatigen Abstraktion im Minimal-Stil auf Leinwand. Reichmans sensible künstlerische Reflexionen über den Krieg sind nicht zuletzt das Resultat seiner eigenen verstörenden Erfahrungen als ehemaliger Soldat der israelischen Armee. Ambivalenz von Schönheit und Gewalt. Die Arbeiten von Ariel Reichman kosten zwischen 2.000 und 40.000 Euro.
Der Düsseldorfer Galerist Rupert Pfab zeigte sich sehr zufrieden mit dem Verlauf der Messe. „Wir haben hier ein gutes, gehobenes Publikum“, so seine Beobachtung. „Neben einigen belgischen und niederländischen Sammlern kommt auch das Düsseldorfer Bürgertum, das sich zur Messe bekennt und hier auch kauft. Das Areal Böhler macht Spaß, besonders das Tageslicht in den beiden Hallen.“ Rupert Pfab konnte an allen Messetagen Arbeiten verkaufen und gute Kontakte knüpfen. Besonders nachgefragt bei ihm waren feine, objekthafte Papierarbeiten von Astrid Busch, Jahrgang 1968. Ebenfalls ein Hingucker: die präzise, hyperrealistische Malerei des 1981 geborenen Düsseldorfers Matthias Wollgast, der in seinem kleinformatigen Gemälde „Alter Schall. Neuer Rauch“ von 2023 humorvoll den Streit zwischen dem Maler Neo Rauch und dem Kritiker Wolfgang Ullrich aufgreift. Arbeiten von Matthias Wollgast kosten zwischen 2.200 und 5.500 Euro.
Aus Berlin angereist war die besonders auf konzeptuelle Fotografie spezialisierte Galerie Persons Projects. Besonders gut ließen sich die Farbaufnahmen aus der zwischen 1978 und 1985 entstandenen „Chroma-Serie“ des von Timothy Persons wiederentdeckten konzeptuellen Fotografen Grey Crawford verkaufen. Crawford, Jahrgang 1951, gilt als einer der Pioniere der konzeptuellen Farbfotografie. Beeinflusst durch die Farbkonzepte des mexikanischen Architekten Luis Barragán, machte er sich in den 1970er Jahren in seiner Heimatstadt Los Angeles auf die Suche nach Murals der Chicano-Kunstbewegung am Rande der Los Angeles Freeways. Durch eine spezielle Maskentechnik gelingt es ihm, seine Aufnahmen aus dem Stadtraum im Labor mit geometrischen Bildelementen zu ergänzen und so zu fotografisch-malerischen Hybriden mit großer Leuchtkraft zusammenzufügen.
Timothy Persons lobt das hohe intellektuelle Niveau des Düsseldorfer Publikums, das sich sehr für konzeptuelle Arbeiten interessiert. „Sie kommen am Eröffnungstag, machen ihre Hausaufgaben, und kommen dann wieder, stellen gezielte Fragen und kaufen idealerweise nicht nur Einzelwerke, sondern ganze Werkgruppen“, fasst er zusammen.
Die Düsseldorfer Galerie Van Horn hatte neben einem großen Gemälde des neu in die Galerie aufgenommenen österreichisch-israelischen Künstlerpaars Muntean/Rosenblum, beide 1962 geboren, eine auf den ersten Blick streng minimalistisch wirkende Wandarbeit des Düsseldorfer Bildhauers Stefan Wissel mit an den Stand gebracht. Das Objekt aus gefundenen Aluminiumprofilen stammt aus der Serie „Statics of Sensation“ des 1960 geborenen Konzeptkünstlers. Was aussieht wie ein zufällig im Altmetallcontainer gefundenes Objekt, erweist sich bei näherem Hinschauen jedoch als sorgfältig komponiertes Ganzes mit ganz unterschiedlich beschaffenen Oberflächen, die teilweise durch aufwändige Pulverbeschichtungen veredelt worden sind. Wissels Arbeiten eingeschrieben sind zudem häufig autobiografische Bezüge und emotionale Aufladungen, die sich den Betrachter:innen jedoch erst nach eingehenderer Beschäftigung offenbaren. Das Objekt aus dem Jahr 2020 ist für 18.000 Euro im Angebot.
Besonders entspannt gab sich Judy Lybke von der Galerie Eigen+Art, Leipzig/Berlin. Er zeigte in einer Solo-Präsentation die Künstlerin Birgit Brenner, Jahrgang 1964. Wandmalerei, Zeichnungen, installative Arbeiten und drei Stop-Motion-Filme, die auf Zeichnungen basieren, gaben einen umfassenden Eindruck vom gesamten Spektrum Birgit Brenners. Judy Lybke zeigte Brenner im Vorfeld einer bald anstehenden, größeren Präsentation in einem rheinländischen Museum. „Das Geld, um die Messe zu machen, haben wir vorher verdient“, sagt er schmunzelnd. Dennoch gelangen auch noch einige Verkäufe vor Ort. Die einzelnen Arbeiten von Birgit Brenner kosten zwischen 3.000 und 50.000 Euro.
Erstmals an der Art Düsseldorf nahm die Galerie Green on Red aus Dublin teil. Galerist Jerome O Drisceoil hatte unter anderem die auf einer Performance basierende fotografische Serie „Blue Pigment Hands“ von Nigel Rolfe, Jahrgang 1950, mit an den Stand gebracht. Der in Irland lebende Brite Rolfe gilt als einer der Pioniere der Live-Performance. Die Serie aus dem Jahr 2010 entstand nach einem Besuch im Konzentrationslager Majdanek. Der Einsatz von blauen Pigmenten bezog sich darauf, dass bei der Herstellung des in den Konzentrationslagern eingesetzten tödlichen Gifts Zyklon B als Nebenprodukt der synthetische Farbstoff „Berliner Blau“ entstand, der wiederum auch dem Blau auf der Europa-Flagge ähnelt (Fotografien je 3.000 Euro, Auflage: 5).
Am Stand von KOW aus Berlin fielen die Fotografien von Tobias Zielony, Jahrgang 1973, ins Auge. Sie stammen aus der Serie „The Fall“ und sind in den letzten fünf Jahren an verschiedenen Orten wie Japan, Korea oder Malta entstanden. Anders als in früheren Serien gelingt es Zielony hier, in eindrücklichen Bildern allgemeingültige Erzählungen von Jugend, nächtlicher Urbanität und individueller Gefühlswelt zu kreieren. Es gelang der Galerie, zwei Fotografien an die Sammlung des K21 in Düsseldorf zu verkaufen. Weiterhin am Stand: eine ältere fotografische Arbeit des Künstlerduos Clegg & Guttmann, beide Jahrgang 1957, die eine wissenschaftliche Bibliothek mit zahlreichen Architekturtiteln zeigt. In diesem Stillleben von 2001 wird untersucht, wie man Wissen ordnet. Erst auf den zweiten Blick erkennt man auf dieser frühen digitalen Collage nach und nach Unschärfen, Wiederholungen und Doppelungen. Doch genau das macht auch den Reiz dieser großformatigen Fotografie aus.
Schließlich erinnerten noch drei Schwarz-Weiß-Fotografien des spanischen Künstlers Santiago Sierra an ein Projekt, das er im Jahr 2005 in der Kestner Gesellschaft Hannover realisiert hat. Damals ließ er den Schlammm des während des Nationalsozialismus von Zwangsarbeitern künstlich angelegten Maschsees in die Kunstvereinsräume pumpen. Das Ergebnis dieser spektakulären Kunstaktion mit dem Titel „Haus im Schlamm“ ist auf den Fotografien dokumentiert.
Am Gemeinschaftsstand der beiden Münchner Galerien Sperling und Jo Van De Loo standen die Zeichen ganz auf figurative Malerei. Sperling hatte unter anderem farbige Papierarbeiten des 1980 geborenen schottischen Künstlers Andrew Gilbert nach Düsseldorf gebracht. Gilbert kombiniert Acryl, Fineliner und Aquarellfarben. Seine humorvollen Darstellungen von historischen Figuren und fiktiven Elementen verwenden Zitate aus Literatur und Popkultur und haben gesellschaftskritische Anklänge (3.200-5.200 Euro). Am Stand wurden Gilberts Arbeiten mit den detailreichen Tuschezeichnungen des von Jo Van De Loo repräsentierten Andreas Chwatal, Jahrgang 1981, kombiniert, die Landschaftsszenen, Selbstinszenierungen des Künstlers und menschliche Abgründe zu stimmigen Bildwelten verweben (2.500 bis 7.000 Euro).
Jo Van De Loo zeigte zudem Ölgemälde der in Berlin lebenden Künstlerin Monika Michalko, Jahrgang 1982, in unterschiedlichen Formaten. Die an der HFBK Hamburg bei Norbert Schwontkowski ausgebildete Malerin besticht mit magisch-poetischen Traumwelten, angereichert mit Pflanzen, Tieren, folkloristischen Motiven, Wunderkammerelementen und Märchengestalten (3.500 bis 20.000 Euro).
In diesem Jahr konnten viele der deutschen Teilnehmer:innen der Art Düsseldorf noch von dem während der Pandemie aufgelegten Programm Neustart Kultur der Staatsministerin für Kultur und Medien profitieren. Ein Teil der Standmieten wurde übernommen, so dass sich auch kleinere Galerien auf ausreichend Fläche präsentieren konnten. Das Programm Neustart Kultur wird jedoch am 30. Juni 2023 beendet. Welche Auswirkungen die Einstellung auf die sechste Ausgabe der Art Düsseldorf und andere Messen haben wird, ist derzeit ungewiss.
Auf einen Blick:
Messe: 5. Art Düsseldorf
Ort: Areal Böhler, Hansaallee 321, 40549 Düsseldorf
Zeit: 30.März bis 2.April 2023
Internet: www.art-dus.de
Nächster Termin: 11.-14.4.2024
1 Comment
Gutes Bild als Beschreibung der Düsseldorfer Messe.
Als wäre man selbst da gewesen.
Danke