Im Spannungsfeld zwischen ostasiatischer Weisheit und westlicher Rationalität: Mooni Perry im Westfälischen Kunstverein in Münster

Mooni Perry
„Missings: From Baikal to Heaven Lake, from Manchuria to Kailong Temple“
12. Oktober 2024–2. Februar 2025
Installationsansichten Westfälischer Kunstverein
Fotos: Thorsten Arendt
„Suffering from an unexplained loss and searching for it for years“ (auf Deutsch etwa: An einem unerklärlichen Verlust leidend und seit Jahren dabei diesen zu erforschen). Diese programmatische Selbstbeschreibung bildet den Einstieg in die Website der koreanischen Künstlerin Mooni Perry.

Porträt Mooni Perry, Foto: Hyejeong Yun
Verlust, Tod und Trauer beschäftigen die 1990 in Seoul geborene und mittlerweile zeitweise auch in Berlin lebende Künstlerin seit Langem. Jetzt zeigt der Westfälische Kunstverein in Münster ihre erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland. Konzipiert hat diese noch die ehemalige Direktorin Kristina Scepanski, die vor Kurzem ins Kulturamt der Stadt wechselte. Umgesetzt aber hat sie bereits ihre seit September tätige Nachfolgerin Theresa Roessler, die zuvor Kuratorin im Kunstverein Freiburg war.

Mooni Perry
„Missing“, 2024
5-Kanal-Video
40 min
Videostill
Wer die Schau mit dem wortreichen Titel „Missings: From Baykal to Heaven Lake, from Manchurai to Kailong Temple“ betritt, wird mitgenommen auf eine transkontinentale Recherchereise in deren Verlauf Mooni Perry sich und die Betrachter:innen mit Fragen nach kultureller Zugehörigkeit, dem hin- und hergerissen sein zwischen Ost und West, ostasiatischer Weisheit und europäischer Verabsolutierung des Rationalen konfrontiert.

Mooni Perry
„Missings: From Baikal to Heaven Lake, from Manchuria to Kailong Temple“
12. Oktober 2024–2. Februar 2025
Installationsansichten Westfälischer Kunstverein
Fotos: Thorsten Arendt
Welcome to Asia: Schon wer an der langen Schaufensterfront des mitten in der Stadt gelegenen Kunstvereins entlang geht, blickt auf eine wandfüllende Tapete mit Manga-Figuren darauf. Perry hat für deren ersten Entwurf eine Zeichnerin mit ins Boot geholt und diese beauftragt, zehn imaginäre Charaktere zu erfinden. Die Ausarbeitung von Details wie Make up und Kleidung hat sie dann selbst vorgenommen und zwar unter Berücksichtigung des zwölfteiligen Tierzyklus’ im chinesischen Horoskop. Herausgekommen ist ein buntes Spektrum diverser Gestalten.

Mooni Perry
„Missings: From Baikal to Heaven Lake, from Manchuria to Kailong Temple“
12. Oktober 2024–2. Februar 2025
Installationsansichten Westfälischer Kunstverein
Fotos: Thorsten Arendt
Unmittelbar davor steht ein sogenanntes Joss-Paper-Haus. Ein fantasievolles Gebilde aus Architekturelementen sowie Darstellungen von Menschen, Gottheiten, Tieren und Blüten. Papierhäuser wie dieses werden im Buddhismus im Rahmen von Übergangsritualen verbrannt. So etwa um Jugendliche in die Gemeinschaft der Erwachsenen aufzunehmen oder die Verstorbenen zu ehren. Ein ähnliches Haus wurde im Rahmen einer Performance der Künstlerin bereits auf dem Vorplatz des Kunstvereins in Flammen gesetzt.

Mooni Perry
„Missings: From Baikal to Heaven Lake, from Manchuria to Kailong Temple“
12. Oktober 2024–2. Februar 2025
Installationsansichten Westfälischer Kunstverein
Fotos: Thorsten Arendt
Im Zentrum der Schau aber steht der rund einstündige, während mehrerer Monate in China, Taiwan und Deutschland gedrehte Film „Missing“. Er wird als 5-Kanal-Videoinstallation im komplett abgedunkelten zentralen Ausstellungsraum des Kunstvereins gezeigt. Perry hat diesen zusammen mit Frauen des von ihr mitgegründeten „Asian Feminist Studio of Art and Research“ (AFSAR) konzipiert, realisiert und produziert. Ihre Protagonist:innen lässt sie über asiatische Nachtmärkte streifen, beim Essen über die Herausforderungen des Lebens philosophieren, in opulent ausgestatteten buddhistischen Tempeln der Ahnen gedenken oder in farbgesättigten Räumen traumverloren tanzen. Immerfort sind sie auf der Suche nach dem „In Yeon“, wie im Koreanischen das Prinzip des Zwischenmenschlichen genannt wird.

Mooni Perry
„Missing“, 2024
5-Kanal-Video
40 min
Videostill
Mit ihren teils auffällig geschminkten Gesichtern und ihren bunten Perücken ähneln sie den Manga-Figuren draußen auf der Wand. In ihrer Heimat hat Mooni Perry die passenden Drehorte für ihr akribisch vorbereitetes Projekt nicht gefunden. „Das koreanische Volk hat im Zuge der Modernisierung zu viele seiner Traditionen verloren. Diese spielen in unserer Gegenwart kaum noch eine Rolle“, so Perry in einem Interview. Aus diesem Grund ist sie in das noch stärker traditionellen Werten verhaftete Taiwan gereist, um überwiegend dort zu drehen. Speziell der Taoismus sei eine der Säulen östlicher Philosophie, so Perry. In Korea dominierten jedoch heute westliche Denkweisen. Insofern kommt ihre sehr sehenswerte, nach verschütteten ostasiatischen Narrativen forschende Ausstellung auch einer assoziationsreichen Spurensuche Perrys nach ihrer eigenen Herkunft und Identität gleich.

Mooni Perry
„Missing“, 2024
5-Kanal-Video
40 min
Videostill
Auf einen Blick:
Ausstellung: Mooni Perry: Missings: From Baikal to Heaven Lake, from Manchuria to Kailong Temple
Ort: Westfälischer Kunstverein, Rothenburg 30, 48143
Zeit: bis 2. Februar 2025, Mittwoch bis Sonntag 11.00 bis 19.00 Uhr
Internet:www.westfaelischer-kunstverein.de

Mooni Perry
„Missings: From Baikal to Heaven Lake, from Manchuria to Kailong Temple“
12. Oktober 2024–2. Februar 2025
Installationsansichten Westfälischer Kunstverein
Fotos: Thorsten Arendt