Die geballte Macht der Ruhrkunstmuseen: Die Ausstellung „21 x 21. Die Ruhrkunstmuseen auf dem Hügel“ in der Essener Villa Hügel zeigt einen sorgsam kuratierten Querschnitt aus 21 Museumssammlungen

Außenansicht Villa Hügel, Foto: Heiko Klaas
Ob „Metropole London“ (1992), „Sinn und Sinnlichkeit“ (2002) oder „Josef Albers. Interaction“ (2018): Die Villa Hügel in Essen war in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Austragungsort groß angelegter Ausstellungen, die ein überregionales Publikum anlockten.

Installationsansicht 21 x 21. Die RuhrKunstMuseen auf dem Hügel, Villa Hügel Essen 2025, © Annika Feuss, Foto: Annika Feuss
Wohl kaum ein anderer Ort im Ruhrgebiet könnte daher als Schauplatz für die Sonderausstellung „21 x 21. Die Ruhrkunstmuseen auf dem Hügel“ geeigneter erscheinen. Noch bis Ende Juli präsentieren die 21 Museen, die dem vor 15 Jahren gegründeten Netzwerk RuhrKunstMuseen angehören, hier im Rahmen einer städteübergreifenden Jubiläumsschau eine hochkarätige Auswahl ihrer Schätze.

August Macke
„Modes: Frau mit Sonnenschirm vor Hutladen, 1914
G 236
Museum Folkwang, Essen
Das Konzept der Schau lautet: Impuls und Reaktion. Jedes Museum hat für die Ausstellung ein Impulswerk ausgesucht. Das war nicht unbedingt immer das berühmteste, beliebteste oder wertvollste Werk aus der Sammlung, sondern oft auch eine Arbeit, die den jeweiligen Sammlungsschwerpunkt repräsentiert oder aber aufgrund ihrer formalen oder inhaltlichen Radikalität zu einer Reaktion herausfordert. Die Teams der anderen Häuser waren dann aufgefordert, mit einem Werk aus den eigenen Beständen zu reagieren. So kamen zunächst etwas mehr als 400 Werke zusammen, die in der online verfügbaren Version der Ausstellung gezeigt werden. Für die Museumsschau selbst sind von einem neunköpfigen Kurator:innenteam unter der Leitung von Regina Selter (Museum am Ostwall, Dortmund) und Peter Gorschlüter (Museum Folkwang, Essen) rund 100 Werke ausgewählt worden, die in zehn Themenräumen präsentiert werden.

Installationsansicht 21 x 21. Die RuhrKunstMuseen auf dem Hügel, Villa Hügel Essen 2025, © Annika Feuss, Foto: Annika Feuss
Doch es gibt auch einen historischen Vorläufer des Mammutprojekts. 1963 fand im Rahmen der Ruhrfestspiele in der Kunsthalle Recklinghausen die Ausstellung „Gesammelt im Ruhrgebiet“ statt. Sie lieferte, gerade einmal 18 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, einen profunden Überblick über die institutionellen, aber auch privaten Sammlungsbestände der Region anhand von Objekten aus über 3000 Jahren Kunst- und Kulturgeschichte. Die Palette reichte damals von antiken Exponaten aus Ägypten bis hin zu Werken zeitgenössischer Künstler wie HAP Grieshaber oder Josef Albers.

LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen, Gerhard Richter, Mutter und Tochter, 1965, Öl auf Leinwand, 180 x 110 cm, © Gerhard Richter
Aber hinein in die aktuelle Ausstellung: Am Beginn des Parcours stehen Aspekte der Darstellung von Weiblichkeit: von der reduktionistisch-idealisierten Skulptur „Große Sinnende“ (1913) bei Wilhelm Lehmbruck über Gerhard Richters malerische Beschäftigung mit der Film-Diva Brigitte Bardot bis hin zur Demontage des männlich dominierten Blicks am Beispiel einer großen Arbeit aus der minimalistisch daherkommenden Herdplatten-Serie von Rosemarie Trockel.

Installationsansicht 21 x 21. Die RuhrKunstMuseen auf dem Hügel, Villa Hügel Essen 2025, © Annika Feuss, Foto: Annika Feuss
Im Themenraum „Fenster zur Welt“ werden dann alpine Landschaften von Ernst Ludwig Kirchner, Alexej von Jawlensky oder Gabriele Münter mit Impressionen aus dem Ruhrgebiet in einen Dialog gesetzt. So zum Beispiel mit einer Schwarz-Weiß-Aufnahme des bekannten Ruhrgebietsfotografen Rudolf Holtappel aus dem Jahr 1962, die eine „Schneelandschaft bei Gelsenkirchen“ mit qualmenden Schloten im Hintergrund zeigt.

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen, Rudolf Holtappel, (Schneelandschaft bei) Gelsenkirchen, 1962, Silbergelantine Abzug, später Abzug 09, 17,4 x 23,2 cm, © Rudolf Holtappel Nachlass LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen
Im Kapitel „Dynamik“ wird dann die Aufnahme einer großen Autobahnhochbrücke von Hans-Christian Schink der Installation „Zeit ist keine Autobahn – Basel“ (2011) von Michael Sailstorfer aus der Kunsthalle Recklinghausen gegenübergestellt. Ein an einer Wandoberfläche rotierender Autoreifen hinterlässt hier ein stetig anwachsendes Häuflein Gummiabrieb. Eine Lithographie von Katharina Grosse mit übereinander gelagerten, gestischen Farbapplikationen ergänzt die gelungene Zusammenstellung. Vorstellungen von Vergänglichkeit und Beständigkeit, Mobilität und Stillstand werden in diesem Themenraum in einen spannungsvollen Dialog gesetzt.

Museum Küppersmühle, Duisburg Hans-Christian Schink, A9/A38 Autobahnkreuz Rippachatal I, 1998, C-Print, Diasec (Ex. 2/5), gerahmt, 18,5 x 215,5 x 4 cm, © Hans-Christian Schink
Die Intimität privater Räume wird unter dem Label „Lebenszeichen“ untersucht. Timm Ulrichs’ Fotoserie „Die Welt im Wohnzimmer“ (2009) aus dem Museum Ostwall im Dortmunder U begibt sich auf eine ironische Entdeckungsreise durch private Wohnzimmer. Weibliche Ausbruchsversuche aus den Fesseln der Häuslichkeit dann wiederum bei Nan Goldins Aufnahme mit dem Titel „Lil Laughing, Swampscott, MA“ (1996), die ihre lachende Mutter auf dem Ehebett sitzend zeigt. Die Fotografie „Magnify BWS 1224 (Woman with a Spyglass)“ (2019) der 1989 geborenen Christopher Williams-Schülerin Morgaine Schäfer aus der Kunsthalle Recklinghausen schließlich thematisiert die selbstbewusste Erweiterung des weiblichen Blicks, in diesem Fall mit Hilfe eines Fernglases. Auch hier ist die Protagonistin die Mutter der Künstlerin, denn Schäfer arbeitet mit dem Archiv der Aufnahmen ihrer Familie, die ihr Vater in den 1970er und 1980er Jahren angefertigt hat.

Kunsthalle Recklinghausen, Morgaine Schäfer, Magnifiy BWS 1224 (Woman with a Spyglass), 2021 / BWS 1224 ( Woman with a Spyglass), 2019, © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Zu den Highlights der gezeigten Kunstwerke zählen aber auch eine rund drei mal sieben Meter große Fotomontage der polnischen Konzeptkünstlerin Zofia Kulik mit dem Titel „Wer erobert die Welt“ (1994) sowie Alicja Kwades „Selbstporträt als Geist“ (2019). Beide sind im letzten Raum mit dem Titel „Tradition im Wandel“ zu sehen.

Installationsansicht 21 x 21. Die RuhrKunstMuseen auf dem Hügel, Villa Hügel Essen 2025, © Annika Feuss, Foto: Annika Feuss
Zugegeben, die Motti der zehn Themenräume wirken teilweise etwas beliebig und weit hergeholt. Einige sind sogar geklaut. So etwa „Arbeit und Struktur“ (nach dem autobiografischen Buch von Wolfgang Herrndorf) oder „Bild der Frau“ (nach der bieder-konservativen Frauenzeitschrift). Etliche Werke könnten auch gleich in mehreren Themenräumen gleichzeitig ausgestellt werden.
Insgesamt bietet die Essener Ausstellung ihren Besucher:innen aber die einmalige Chance, ein Best-of aus 21 Museumssammlungen in spannungsgeladener Interaktion an einem zentralen Ort zu erleben. Sie stellt daher auch einen Appetizer dar, um den einzigartigen Kunstreichtum zwischen Rhein, Ruhr, Emscher und Lippe eigenständig in den großen Museen von Bochum, Bottrop, Duisburg, Hagen oder Gelsenkirchen zu entdecken.

Installationsansicht 21 x 21. Die RuhrKunstMuseen auf dem Hügel, Villa Hügel Essen 2025, © Annika Feuss, Foto: Annika Feuss
Auf einen Blick:
Ausstellung: 21 x 21. Die Ruhrkunstmuseen auf dem Hügel
Ort: Villa Hügel, Hügel 1, 45133 Essen
Zeit: bis 27. Juli 2025. Di-So 10-18 Uhr
Katalog: Begleitheft, 24 S., kostenlos
Magazin: 92 S., 7 Euro
Internet: www.21×21.de
www.villahuegel.de

Museum Folkwang, Essen, Grete Stern, Traum Nr. 7, Buenos Aires, 1949, Silbergelatineabzug, Reprint, Fotomontage, 20 x 25 cm, © The Estate of Grete Stern courtesy of Galeria Jorge Mara – La Ruche