DARE: Es gibt den amerikanischen Traum. Was ist das Versprechen dieser Stadt?
Dich unglücklich machen! Nicht in Frieden zu bleiben. Mit der Zukunft zu brechen und in Unruhe zu leben. Mexiko City zwingt dich wach und aufmerksam zu sein, dir einen vorsichtigen Blick anzueignen.
Das wachsame Auge ist in Mexiko City wichtig, weil es nicht eine Ecke gibt, wo Ruhe herrscht. Du wirst täglich gezwungen, Pakte aller Art zu schließen.
DARE: Wie wichtig ist die Liebe und ihre Erschütterung?
Jegliche Liebe ist ein Affront gegen die Freiheit. Es ist effektiver – wenn man frei sein will – abstoßend zu sein oder zu erscheinen und sich auf seine Einsamkeit zu konzentrieren.
Doch in manchen Momenten genieße ich Freundschaften enorm: die Freundschaft zu jedem fühlenden Wesen, nicht unbedingt die Freundschaft anderer Schriftsteller. Ich weigere mich, professionelle Partnerschaften einzugehen, aber ich genieße kurze Bündnisse, die zur Ruhe neigen und mich auch in Gespräche ziehen: Die Pause in diesem wahnsinnigen Kommen und Gehen der Stadt.
DARE: Ist zur Liebe nur fähig, wer die eigene Einsamkeit akzeptiert?
Schau, der rumänische Schriftsteller E.M. Cioran sagte: „Die Liebe: Die Begegnung zweier Speichel.“ La Rochefoucauld pflichtete bei: „Es gibt Menschen, die sich nie verlieben würden, wenn sie nicht Gespräche über die Liebe gehört hätten.“
Was ich sagen will: Liebe ist ein Mythos. Eine symbolische Konstruktion, eine manisch sich fortschreibende Geschichte. So ist das! Aber als Einzelgänger begehrst und liebst du auch dein eigenes Exil.
Mexiko City eignet sich wunderbar dazu, eine einsame, provisorische Liebe aufzubauen: Es gibt hier weder Mäßigung noch Balance. Es scheint, als würde die Stadt jederzeit zusammenbrechen und verschwinden, aber sie fällt nie. Du gewöhnst dich an die Bedrohung. An das lebende Ende. Es ist die Chronik eines angekündigten Todes, der nie kommt.
DARE: Wie entsteht an diesem Ort gegenseitige Achtsamkeit?
Durch Solidarität und dem Leiden anderer. „Ich bin solidarisch mit dir, weil ich die gleiche Hölle bewohne und deinen Schmerz kenne.“ Eine andere Art von Solidarität entsteht, wenn jemand aus einer total unterschiedlichen sozialen oder wirtschaftlichen Klasse seine Hand ausstreckt. Wenn jemand die Unterschiede anerkennt und sich trotzdem dem Unglück des Anderen zuwendet. Dies ist eine Solidarität, die aus reinem Altruismus entspringt und nicht einer humanistischen Utopie, die künstlich konstruiert wurde. Ich wehre mich nicht gegen beide Formen, vorausgesetzt, sie funktionieren.